Vergaberechtler

Vergaberecht – das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe fristet an den Universitäten eher ein „Schattendasein“, bildet aber allein in Deutschland mit einem Jahresauftragsvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Das noch relativ junge und stark europarechtlich geprägte Vergaberecht bietet für Anwälte ein breites Beratungsspektrum. Im vergangenen Jahr wurde auch der Fachanwalt für Vergaberecht eingeführt. Von Nina Kristin Scheumann, Senior Associate bei Graf von Westphalen München

Mein Weg zum Vergaberecht verlief über das Öffentliche Recht. In diesem Bereich absolvierte ich eine Station im Referendariat bei GvW am Hamburger Standort und kam auf diesem Weg schließlich zum Vergaberecht.

In Deutschland besteht weiterhin eine Zweiteilung des Vergaberechts: das europarechtlich geprägte sogenannte Kartell- oder EU-Vergaberecht, das für binnenmarktrelevante öffentliche Auftragsvergaben oberhalb bestimmter Schwellenwerte Anwendung findet, und das weiterhin haushaltsrechtlich geprägte nationale Vergaberecht im sogenannten Unterschwellenbereich. Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen des EU-Vergaberechts finden sich im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 ff. GWB). Auf untergesetzlicher Ebene enthalten die sogenannten Vergabeverordnungen (Vergabeverordnung – VgV; Sektorenverordnung – SektVO; Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit – VSVgV und die neue Konzessionsvergabeverordnung – KonzVgV) sowie die für den Baubereich weiterhin bestehende Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) weitere konkretisierende Regelungen für die einzelnen Auftragsarten (sog. Kaskadenprinzip).

Die Tätigkeit eines auf das Vergaberecht spezialisierten Anwalts ist sehr vielseitig und bietet häufig die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Beschaffung umfassender Bau- und Planungsleistungen oder bei IT-Projekten. Neben der Beratung und Unterstützung der öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der Leistungsbeschaffung ist die Beratung der privaten Unternehmen sowie die Vertretung vor den Vergabenachprüfungsinstanzen ein wichtiger Tätigkeitsbereich. Zuständig für die Nachprüfungsverfahren sind bei binnenmarktrelevanten europaweiten Vergaben die Vergabekammern des Bundes und der Länder sowie in der Beschwerdeinstanz die Vergabesenate der Oberlandesgerichte.

Die Rechtsprechung trägt im Vergaberecht maßgeblich zur Rechtsfortbildung bei, sodass die Kenntnis und die Verfolgung der aktuellen Entscheidungen wichtig ist. Wegen des europarechtlichen Bezugs spielt daneben auch regelmäßig die Frage der Europarechtskonformität der nationalen Regelungen eine bedeutende Rolle. Kenntnisse im Europa- oder auch Beihilfenrecht sind daher ebenfalls von Vorteil. Gerade aufgrund seiner Vielseitigkeit im Hinblick auf die zu beschaffenden Leistungen, ist das Vergaberecht ein äußerst interessantes Rechtsgebiet für Berufseinsteiger.

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