Robert Kötter ist Coach, Vortragsredner und Gründer von Work-Life-Romance. Er berät seit über zehn Jahren Organisationen im Umbruch und hilft Menschen dabei, den Beruf zu finden, der zu ihrem Leben passt, sodass sich Arbeit und Leben gegenseitig bereichern und beflügeln. In seinem Gastartikel gibt er Tipps, wie man einen Job findet, in dem sich die eigenen Talente, Interessen und Werte sinnvoll ergänzen.
Als Sie in die Schule gekommen sind, haben Sie wahrscheinlich diesen Satz gehört. Beim Wechsel von der Grundschule in die weiterführende auch. Und natürlich beim Schulabschluss, auf dem Abiball oder beim Studienstart: Jetzt beginnt der Ernst des Lebens. Meiner Erfahrung nach stimmt das nur halb. Sicher verdient eine gelungene Ausbildung Anerkennung, aber erst, wenn Sie damit beginnen, Ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten, haben Sie im Arbeitsleben eine wichtige Hürde genommen. Das kann man dann mit Fug und Recht den Ernst des Lebens nennen und dafür möchte ich Ihnen sieben Tipps mit auf den Weg geben, die helfen sollen, den richtigen ersten Schritt zu machen.
Tipp 1: Sammeln Sie Erfahrungen
Ich habe nach dem Studium als Reiseleiter in Japan und nebenbei frei für eine Unternehmensberatung gearbeitet. Marius Kursawe, mein Co-Gründer von Work-Life-Romance, hat nach dem Magister ein langes Praktikum bei einem Autohersteller absolviert. Waren das unsere Traumjobs? Nein. Aber wir haben viel dabei gelernt. Vor allem das, was im Studium fehlte. Und diese Erfahrungen waren prägend für alles, was danach kam. Anders gesagt: Ohne die vielen verschiedenen Jobs, die wir in den ersten Jahren nach dem Studium hatten, hätten wir unsere Firma nicht gründen können.
Tipp 2: Es gibt keine vorgefertigten Wege
„Im Mittelstand, da kann man Karriere machen“, war mal ein gern gegebener Ratschlag. Auch der Karrieretipp, dass Sie genau X Praktika hinter sich bringen müssen, um dann endlich bei Y arbeiten zu können: beides Quatsch. Die Zeit, in der es vorgefertigte Karrierewege gab, ist vorbei. Es gibt kaum noch unbefristete Verträge, und gleichzeitig haben die wenigsten Menschen heute noch Lust, jahrelang im selben Job zu sein. Auch wenn es beruhigend sein kann, genau zu wissen, was kommt – lassen Sie sich auf das Ungewisse ein. Es wird sowieso anders kommen, und die beste Vorbereitung ist immer noch: „Expect the unexpected!“
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Tipp 3: Ihre Chance: Die Arbeitswelt verändert sich rasant
OK, die Zukunft lässt sich nicht vorhersagen. Trends sehen wir trotzdem: Die Arbeitswelt verändert sich rasend schnell und wird nie wieder so sein, wie unsere Eltern sie kannten. Die ganz großen Entwicklungen sind ja bekannt: Globalisierung, Digitalisierung, Automatisierung, Zeitverträge und Zeitarbeit, Billiglohn und Mindestlohn … Schon wie Sie studiert haben, unterscheidet sich fundamental von meiner Zeit an der Uni. Mein Arbeitsalltag heute – mobil, digital und flexibel – ist meilenweit von dem meiner Eltern entfernt. Was ich damit sagen will? Sie kommen 2016 in einen Arbeitsmarkt, der sich so radikal umbaut, dass selbst wir Experten nicht genau sagen können, was passieren wird. Sehen Sie das als Chance. Sie sind Teil von etwas völlig Neuem. Probieren Sie etwas aus. Nutzen Sie Ihr Know-how. Gestalten Sie die Arbeitswelt mit, statt daran zu verzweifeln.
Tipp 4: Schaffen Sie sich eine Arbeit statt danach zu suchen
Die meisten Absolventen, mit denen wir zu tun haben, fragen uns Dinge wie: „Soll ich mich mit oder ohne Foto bewerben?“ oder „Wie soll ich mein Anschreiben gestalten?“. Ganz ehrlich? Fragen Sie jemand anderen. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht Ihre Antwort auf die Fragen: Was und wie wollen Sie arbeiten? Und wofür? In unseren Seminaren, in denen wir Menschen dabei helfen, ihren Traumjob zu gestalten, sitzen viele ehemalige Studenten, die sich wünschten, sie hätten sich diese Fragen vor 20 Jahren gestellt – als sie so alt waren wie Sie jetzt! Nehmen Sie sich die Zeit dafür jetzt. Und dann gestalten Sie sich den passenden Job. Das bringt letztendlich viel sicherer Erfüllung, Sinn und Zufriedenheit.
Tipp 5: Vergessen Sie Ihren Lebenslauf
Sie wollen einen aufpolierten Lebenslauf? Gut. Sicher werden Sie viele Personaler damit beeindrucken. Und sicher gehen damit ein paar Türen auf. Vielleicht werden Sie damit einen „guten Job“ finden. Ob Sie damit glücklich sein werden, ob Sie dort gerne arbeiten, ob Sie in der Tätigkeit aufgehen und das Gefühl haben, genau am richtigen Platz zu sein – das steht auf einem anderen Blatt. Unsere Erfahrung zeigt deutlich, dass es sich viel mehr lohnt, auf das Bauchgefühl zu hören als an den Lebenslauf zu denken.
Tipp 6: Machen Sie den Realitätscheck
Wir kennen viele Studenten, die sagen, sie würden wirklich gerne Journalist werden, Missstände aufdecken, aus Krisengebieten die Wahrheit berichten und die Welt zu einem besseren Ort machen. Idealismus ist ein wichtiger Antrieb, aber um herauszufinden, ob Ihre Vorstellung von einem Beruf sich mit der Realität deckt, reicht das nicht aus. Sie müssen den Beruf erfahren, mit ganz vielen Menschen sprechen, hospitieren, ausprobieren und einfach machen. Vieles wird sich nicht bestätigen, anderes dafür immer klarer werden. Und damit helfen Sie sich selbst am meisten.
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Tipp 7: Streben Sie nach Work-Life-Romance
Der wichtigste Tipp zum Schluss: Arbeitszeit ist auch Lebenszeit. Die meisten Deutschen verbringen die meiste Zeit unter der Woche auf der Arbeit und mit ihren Kollegen. Deshalb sollte Arbeit mehr sein als nur Gelderwerb. Wenn Sie von Anfang an darauf achten, dass Sie etwas tun, was Ihnen wichtig ist, dass Sie in einem guten Umfeld sind und die Arbeit genießen, dann haben Sie schon vieles richtig gemacht. Alle Burn-out-Kliniken können ein Lied davon singen: Arbeit kann krank machen. Deswegen haben wir das Ideal von Work-Life-Romance so definiert: ein Zustand, in dem Arbeit und Leben sich gegenseitig bereichern und beflügeln. Wenn Sie es schaffen, diesen Zustand so oft wie möglich herbeizuführen, dann ist der Ernst des Lebens auch noch Spaß und Sinn zugleich.