Der Kreative. Eigentlich interessierte ihn die Kombination aus Technik und Gestaltung, als er nach der Matura in der Schweiz das Fotoingenieurstudium in Köln begann. Doch bald merkte Oliver Fuchs, dass ihm das Technische gar nicht so lag, dafür das Kreative umso mehr. Und als die Fernsehbranche boomte, ergriff er die Gelegenheit und stieg in die Medienbranche ein. Heute ist er Chef einer der erfolgreichsten TV-Produktionsfirmen Deutschlands und spricht im Interview über Blockhausbau, Kreativität und die „Psyche der Nation“. Das Interview führte Meike Nachtwey.
Zur Person Oliver Fuchs
Der Schweizer Oliver Fuchs hat nach der Matura und dem Studium des Fotoingenieurwesens in Köln seine Karriere 1991 in der TV-Branche begonnen. Er arbeitete seitdem als Redakteur, Produktionsleiter und Herstellungsleiter bei deutschen sowie internationalen Firmen wie CAT Entertainment, Fremantle Deutschland, Pearson Television oder die RTL-Tochter Stormy Entertainment.
Seit 2004 ist Oliver Fuchs Geschäftsführer von Eyeworks Germany, dem Aufsteiger des Jahres im Kress-Produzenten-Ranking 2010/2011. Er ist verantwortlich für die strategische, wirtschaftliche und kreative Entwicklung des Unternehmens.
Herr Fuchs, welchen Berufswunsch hatten Sie im Alter von etwa zehn Jahren?
Ich wollte Werbung machen. Mir haben die Fernsehspots immer gefallen, die Spaß verbreitet haben, und ich habe mich über gute Werbung gefreut.
Warum haben Sie sich für das Fotoingenieurstudium entschieden?
Nach dem Abitur wollte ich irgendetwas Kreatives und doch Reelles machen. Mir gefiel der Beruf des technisch- wissenschaftlichen Fotografen, da er das Künstlerische mit der Technik vereint. Leider war die zugesagte Ausbildung damals in der Schweiz nicht mehr möglich, und so bin ich nach Köln gekommen, um hier Fotoingenieurwesen zu studieren. Das kam dem Gewünschten am nächsten.
Wie kamen Sie in die Fernsehbranche?
Als ich nach sieben Semestern Studium merkte, dass ich technisch nicht begabt genug war, bin ich ausgestiegen. Gleichzeitig entwickelten sich in Deutschland die neue Medienbranche und das Privatfernsehen stark. Da hat mich das Kreative sehr gelockt, und damals waren noch die abenteuerlichsten Einstiege möglich.
Inwiefern helfen Ihnen die Grundlagen genau dieses Studiums bei Ihrer heutigen Tätigkeit – und wo helfen sie gar nicht?
Ich bekam leider schnell den Eindruck, dass dieses Studium eher nicht im Beruf hilft, da es viel zu theoretisch war und zu wenig Praxisbezug hatte. Außerdem war das Berufsbild des Fotoingenieurs zu wenig umrissen, und ich wusste nicht, wo es hinführen sollte. Heute muss ich sagen, dass es doch Vorteile hat, die technischen Hintergründe ein wenig zu kennen, gerade in der Fernsehbranche. Farbwerte, Lichttemperatur, Brennweiten, Optiken – all das sind Begriffe, von denen ich weiß, was dahintersteckt und die mir im Job täglich begegnen.
Was haben Fotografie und Fernsehen auch heute noch gemeinsam?
Ein gutes Bild erfordert nicht nur gute Technik, sondern auch ein Gefühl für die Sache und das Abzubildende. Die Medienbranche bietet deshalb auch heute noch Quereinsteigern gute Möglichkeiten, weil sie eben nicht ein vertieftes Hintergrundwissen verlangt, sondern unter anderem etwas wie ein natürliches Gefühl für ein gutes Bild. Und das muss man als Fotograf auch haben, um erfolgreich zu sein.
Sie wurden kürzlich im Kölner Stadtanzeiger zitiert mit: „Gute Unterhaltung geht direkt in die ‚Psyche einer Nation’, ist letztlich Ausdruck von Zeitgeist und gesellschaftlichen Strömungen“. Was lesen Sie als Fernsehmacher derzeit in der „Psyche der Nation“?
Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass Fernsehen nur ein Spiegel der Gesellschaft ist, dahingehend, dass es meistens nur abbildet und selten Trends prägt. Wir machen heute vermehrt authentisches Fernsehen, weil der Zuschauer es will. Denn er ist medial gebildeter als früher, er durchschaut sehr schnell, ob etwas „echt“ ist. Es ist zum Glück viel schwerer geworden, dem Zuschauer etwas vorzumachen. Er hat den Wunsch nach Authentizität und will ernst genommen werden. Das ist nicht nur im Fernsehen so, sondern auch auf der Straße, die Leute demonstrieren wieder, und es findet eine, wenn sie wollen, Basisdemokratisierung statt. Wir haben nicht nur mündige Bürger, sondern auch mündige Fernsehzuschauer. Und das Fernsehen versucht, in bestimmten Formaten diesem Wunsch nach Authentizität zu entsprechen.
Was kann das private Fernsehen heute noch vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen lernen und umgekehrt?
Beide sind dort, wo sie stehen, gut aufgehoben. Zudem werden sie sich immer ähnlicher, und ich glaube, dieser Konflikt „Private gegen Öffentlich- Rechtliche“ findet nur in den Köpfen der Medienmacher statt, nicht im Kopf des Zuschauers. De facto gibt es keine große Differenz mehr zwischen den beiden.
Welcher Erfolg Ihrer Formate hat Sie im meisten überrascht?
Wir haben bei RTL2, einem Sender, der ja ein bestimmtes Image hat, einen Einbürgerungstest als Sendung gemacht und haben dort die echten Einbürgerungsfragen gestellt, so dass wir Entertainment mit politischem Background vermischt haben. Und das Format hat tatsächlich neun Prozent Marktanteil geholt. Das ist eine Menge für einen solchen Inhalt auf dem Sender.
Techniker, Kreativer, Geschäftsführer – welche Tätigkeit beansprucht im Arbeitsalltag zeitlich den größten Teil?
Ich bin zu 33,3 Prozent Kaufmann, zu gleichem Anteil Kreativer und die restlichen Prozent bin ich Kunde. In der Zeit als Kunde beschäftige ich mich mit den Themen, die die Sender umtreiben. Der Techniker ist im Arbeitsalltag nicht mehr präsent.
Um kreative Batterien aufzuladen, gehen viele joggen. Wann entstehen bei Ihnen zündende Ideen?
Ich beschäftige mich mit meiner Umwelt. Ich rede mit Menschen oder setze mich raus und beobachte Leute. Wichtig ist es, zuzuhören, sich auszutauschen und, wo möglich, in andere Bereiche einzutauchen. Man sollte nicht nur über den Tellerrand blicken, sondern wirklich mal raus aus seinem Medienelfenbeinturm und aktiv rein ins Leben gehen.
Ingenieure sind bekanntlich Tüftler. Wo greifen Sie im Alltag selbst zu Schraubenzieher und Handwerkszeug?
Ich habe ein altes Hotel gekauft, in dem wohne ich mit meiner Familie und baue es selbst um. Das ist mein Ausgleich zum Job.
Welche halten Sie für die genialste technische Erfindung der letzten Jahre?
Den Speicherchip. Die universellen Einsatzmöglichkeiten, die er bietet, und einhergehend die Vergrößerung der Kapazitäten. Auch das sogenannte Cloudworking im Computing finde ich faszinierend.
Welches Projekt möchten Sie unbedingt noch umsetzen, selbst wenn Sie ahnen, dass es kein Quotenerfolg wird. Was ist Ihr Herzprojekt?
Ein Dokumentarfilm über den Blockhausbau, das Thema interessiert nur wenige Menschen und wird daher wohl nicht realisiert werden.
In dem Film „Notting Hill“ sagt Julia Roberts als Filmfigur Anna Scott sinngemäß: „Ruhm ist nichts wirklich Echtes.“ Sie haben täglich mit Menschen zu tun, die in unterschiedlicher Weise Ruhm erlangen. Ihr Rat, wie gerade junge Menschen Ruhm verkraften?
Ich denke, eine gute Möglichkeit, bodenständig zu bleiben, ist, sich intellektuell mit dem auseinanderzusetzen, was gerade mit einem geschieht. Das setzt natürlich voraus, dass Sie einen gewissen Grad an Bildung und auch an Willen dafür haben. Am Ende ist es leider meistens nicht möglich, nicht abzuheben, sich abzukapseln oder ein bisschen komisch zu werden, das zeigt die Erfahrung.
Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg, und welche Schattenseiten hat er?
Erfolg bedeutet für mich, dass ich eine Firma aufgebaut habe, die Konstanz hat, in der ich Mitarbeitern das bestmögliche Arbeitsumfeld und die größtmögliche Sicherheit geben kann. Wenn ich Müttern und Vätern Arbeit bieten kann, die ihre Lebensgrundlage sichert. Schattenseiten hat Erfolg meiner Meinung nach nicht.
Was wäre die größte technische UND visuelle Herausforderung für Sie?
Den alten Fernsehspruch „Im Fernsehen ist alles möglich“ nehme ich wörtlich. Und ein Nein gibt es am Beginn eines Projektes nie. Insofern bin ich sicher, dass alles machbar ist. Da ist nur die Frage der finanziellen Ausstattung der begrenzende Faktor.
Als gebürtiger 1968er haben Sie in Ihrer Jugend den Umschwung von „Video killed the Radio-Star“, den MTV-Kult, live miterlebt. Welche nächste große Innovation wird die Jugend faszinieren?
Im Moment ist es die ständige Erreichbarkeit, Vernetztheit und das Onlinesein, was die jungen Leute fasziniert. Ich könnte mir vorstellen, dass das umschlägt und es irgendwann reizt, den „Aus“-Knopf zu drücken.
Bitte ergänzen Sie: Der ideale Ingenieur ist …
… Pragmatiker und kein Dogmatiker.
Zum Unternehmen
Eyeworks Germany ist eine der führenden unabhängigen TV- und Filmproduktionsfirmen in Deutschland. Bestehend aus Eyeworks Entertainment und Eyeworks Fiction & Film produziert das Unternehmen erfolgreich Unterhaltungssendungen wie „Rach, der Restauranttester”, „Die Küchenchefs“, „Die 10“ oder „Schwiegertochter gesucht“, Dramaserien wie „Wilsberg“, „Maria Wern“ und Filme für Fernsehen und Kino.
Seit ihrer Gründung 2003 entwickelt und produziert die Firma unterschiedliche Fernsehformate für alle großen deutschen TV-Sender, sowohl private als auch öffentlich-rechtliche.