Die Digitalisierung von Bauprozessen hat viele Vorteile: Transparenz, schnellere und automatisiertere Prozesse oder weniger Zeit- und Kostenaufwand. Doch der Weg dorthin ist für Unternehmen mit gravierenden Veränderungen verbunden, auf dem die Mitarbeiter mitgenommen werden müssen. Bauingenieure mit entsprechender Vorbildung haben dabei hervorragende Chancen, diesen Wandel mitzugestalten. Von Christoph Berger.
„Wenn wir von Building Information Modeling, kurz BIM, sprechen, dann meinen wir nicht nur eine Technik oder Software, sondern eine Methode“, sagt Frank Walter, der bei Arcadis, einem internationalen Planungs- und Beratungsunternehmen, für die BIM-Einführung in Deutschland verantwortlich ist. Natürlich habe die Methode auch eine ganz klare technische Dimension, immerhin geht es dabei um die Visualisierung von Bauprojekten in mehrdimensionalen Ebenen – sei es nun die 3-D-Darstellung oder unter Umständen mit den zusätzlichen Faktoren Zeit und Kosten sogar 5-D. In dem mit Datenbanken hinterlegten Modell sind sämtliche im Vorfeld definierten Informationen enthalten, die sowohl für das Entwerfen und Bauen des Bauwerks notwendig sind, als auch für dessen Betreiben. Diese Daten sind von allen nutzbar, die über den Lebenszyklus des Bauwerks betrachtet mit ihm zu tun haben. Das ist die Verknüpfung von Bauingenieur- mit IT-Know-how. Doch BIM betrifft nach Walters Definition nicht nur den Prozess hin zu einer gemeinsamen Nutzung digitaler Modelle. Neu ist auch die Nutzung der Daten und die Form der Zusammenarbeit. Das hat Einfluss auf die gesamte Firmenkultur von Unternehmen, die sich für die Arbeit mit der BIM-Methode entscheiden. „Das Arbeiten in einem BIM-Umfeld ist eher eine kulturelle als eine technische Herausforderung. Es erfordert die Neudefinition von Rollen und Verantwortlichkeiten und ist eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Optimierung von Prozessen, Verfahren und Standards.“
In der Zusammenarbeit machen sich die Veränderungen zum Beispiel folgendermaßen bemerkbar: Bei der herkömmlichen Arbeitsweise arbeiten Zeichner, Architekten, Konstrukteure oder Projektleiter getrennt voneinander an ihren Plänen. Jetzt, mit BIM, arbeiten alle in Echtzeit an einem digitalen Modell. „Das bedeutet, dass alle Projektbeteiligten sehen können, was jeder Einzelne macht“, sagt Dorit Hoth. Als erfahrene Bauingenieurin mit speziellen Kenntnissen der Planungssoftware Revit und anderer Tools betreut sie als BIM-Koordinatorin diverse Bauprojekte und unterstützt Frank Walter bei der BIM-Einführung. „Diese Transparenz kann bei Mitarbeitern natürlich zu Bedenken und manchmal auch zu Ängsten führen“, sagt sie weiter.
Redaktionstipp
André Borrmann, Markus König, Christian Beetz (Hrsg.):
Building Information Modeling.
Springer 2015. ISBN 978-3658056056, 77,75 Euro.
Mit Kommunikation zum Ziel
Laut Hoths Erfahrung komme der intensiven Kommunikation mit den Projektbeteiligten daher eine immense Bedeutung zu – sowohl vor dem Projektstart als auch während des Ablaufs. Man müsse die Mitarbeiter informieren, ihnen die Angst vor Veränderungen nehmen und die positiven Aspekte der neuen Arbeitsweise herausstellen. So werden vor dem Projektstart mit allen Projektbeteiligten Ziele definiert, die mit der BIM-Arbeitsweise erreicht werden sollen. Die Mitarbeiter erhalten Grundlagen- und Projektschulungen. Hoth organisiert für die Arcadis-Mitarbeiter zudem immer wieder Skype-Workshops, um sie für die neue Methode zu sensibilisieren. Auch die im Projekt zu verwendende Software wird bereits im Vorfeld festgelegt und die Mitarbeiter werden in deren Nutzung fit gemacht. Im späteren Projektverlauf wird die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Beteiligten intensiv koordiniert. „Natürlich erläutern wir den Mitarbeitern auch, dass es gut ist, möglichst früh in den Projekten Fehler zu erkennen und bereinigen zu können“, sagt Hoth. Immerhin ist genau dies einer der Vorteile der BIMMethode. Fehler, die bereits in der Planungsphase erkannt werden, führen zu einer präziseren Kosten- und Termineinhaltung.
„Von Mitarbeitern wird bei dieser Form der Zusammenarbeit Offenheit verlangt, Einzelkämpfer werden sich bei der Arbeitsweise schwer tun“, weiß Frank Walter. Wobei er festgestellt hat, dass es sich bei den Bedenken nicht unbedingt um eine Generationenfrage handelt: „Auch für junge Mitarbeiter ist diese Form der Zusammenarbeit oft neu.“
Offenheit gegenüber der IT
Offenheit ist jedoch nur eine Voraussetzung, die Mitarbeiter für die Zusammenarbeit in BIM-Projekten benötigen. Eine weitere sind Sprachkenntnisse. „Die Beteiligten sollten die DIN-Sprache, also die Normen, beherrschen“, sagt Hoth. Je nach Land und Projekt sind die Normen unterschiedlich. „Kennen sich Bauingenieure damit aus, haben sie gute Chancen, auch in international aufgesetzten BIM-Projekten mitzuarbeiten“, so Walter. Er hat zudem festgestellt, dass die Voraussetzungen der Bauingenieurabsolventen sehr unterschiedlich sind. „Das ist stark von den Hochschulen, von denen sie kommen, und den dortigen Lehrkräften abhängig“, sagt er. Prinzipiell erkennt er aber bei den Absolventen eine große Bereitschaft, sich mit Software und Datenbankmodellen auseinanderzusetzen. Daher haben die jungen Bauingenieure auch gute Chancen, den Wandel in den Unternehmen mitzugestalten. Trotz aller Innovationen sei die alleinige Fokussierung auf BIM jedoch nicht der Garant für erfolgreiche Projektsteuerung, so Walter weiter. „Nicht alle Projekte sind BIM-fähig. Die Beherrschung des Handwerkszeugs für die klassische Projektbearbeitung sind deswegen weiterhin wichtig.“
BIM-Anforderungen
Der buildingSMART e. V. in Berlin hat ein Wiki zum Thema „Allgemeine BIM-Anforderungen“ aufgesetzt. Die Inhalte dort beziehen sich auf die „Common BIM Requirements 2012“.
www.jade4d.de/bim-anforderungen/index.php/HauptseiteBIM-Erklärungen
Auf dem Videochannel Youtube haben vor allem die Software-Unternehmen zahlreiche Erklärvideos zur Building Information Modeling-Methode veröffentlicht. Zu finden ist dort auch der kurze Film „BIM- Der Film“ der Rösch Unternehmensberatung, der die BIM-Bauweise mit dem Bauklötze-Prinzip erklärt: