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Unterm Bosporus hindurch

Am 22. August 2015 war es soweit: Der Durchbruch unter dem Bosporus zwischen Asien und Europa war vollzogen. 16 Monate hatte der Vortrieb für die insgesamt 3340 Meter lange Strecke gedauert. Die Macher bewerten das Projekt als eine der kühnsten Tunnelmissionen überhaupt. Von Christoph Berger

16 Monate lang hatte sich ein 120 Meter langer Tunnelbohrer unter dem Bosporus für das Projekt mit dem Namen „Eurasia-Autotunnel“ hindurchgebohrt. Dabei handelt es sich um einen zweistöckigen Tunnel. Sein Bau soll in der fast 15-Millionen-Metropole Istanbul zu einer gravierenden Verkehrsentlastung beim Passieren der Meerenge führen: 100.000 Fahrzeuge täglich sollen ab Ende 2016 durch ihn die Kontinente wechseln können. Zudem soll die Fahrtzeit von heute 100 auf nur noch 15 Minuten reduziert werden.

Im April 2014 war am südöstlichen Ende des Bosporus auf asiatischer Seite gestartet worden. Am 22. August dieses Jahres durchstach ein Mixschild mit einem Bohrdurchmesser von 13,7 Metern plangenau die Zielschachtwand auf der europäischen Seite der Mega-City. Für die Bauausführung zeichnet ein türkisch-südkoreanisches Joint-Venture verantwortlich. Doch auch das auf Tunnelbohrer spezialisierte Unternehmen Herrenknecht mit Sitz im baden-württembergischen Schwanau hatte einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Projekterfolg. Denn noch niemals war ein so großer und leistungsfähiger Tunnel unter so vielschichtigen und extremen Bedingungen unterirdisch gebaut worden.

Bei der Tunnelbohrmaschine handelt es sich um ein 3300 Tonnen schweres Unikat, das speziell für die Anforderungen des Projekts entwickelt worden war. Zu Beginn tunnelte sich der großformatige Mixschild bei einem Gefälle von fünf Prozent bis zum tiefsten Punkt. Der liegt bei 106 Meter unter dem Bosporus. Es herrschen dort elf Bar Wasserdruck. Ständig wechselte bei der Tunnelung auch der Untergrund. Das hatte einen intensiven Verschleiß an den Abbauwerkzeugen am Schneidrad zur Folge. „Die besondere Herausforderung bestand darin, ein Schneidrad zu entwickeln, das den Wechsel der Abbauwerkzeuge auch bei dem enormen Außendruck sicher von innen ermöglicht“, erklärt Werner Burger, Konstruktionsleiter bei Herrenknecht. Das Problem löste man mithilfe eines Schneidrads, das durch schmale Arbeitskammern von der Rückseite aus begehbar ist. So können die Werkzeuge durch spezielle Schleusensysteme vom Personal unter atmosphärischen Druckverhältnissen sicher ausgetauscht werden. Zu Bestzeiten legte man mit der Technik 92 Meter in der Woche unterirdisch zurück.

Nach dem erfolgreichen Durchbruch sagten die Verantwortlichen, das Projekt habe Signalwirkung im weltweiten Tunnelbau, denn mit ihm würden neue Machbarkeitsstandards beim Herstellen von Tunneln unter extremen Baugrundbedingungen einhergehen.

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