Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater, Bilanzbuchhalter oder Steuerfachwirt: Die Vielfalt der prüfenden und beratenden Aufgaben für Unternehmen ist beachtlich. Wie wird man was, wo findet man Tätigkeiten, welche Alternativen bieten sich? Hier gibt es die Antworten. Von André Boße
Wo sind Wirtschaftsprüfer überhaupt tätig?
In Deutschland sind alle mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften verpflichtet, sich jährlich einer gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung zu unterziehen. Zudem sind Unternehmen einer gewissen Größe sowie Unternehmen bestimmter Wirtschaftszweige wie zum Beispiel Banken und Versicherungen oder auch Betriebe der öffentlichen Hand verpflichtet, jährlich ihre Abschlüsse prüfen zu lassen. Diese Aufgaben werden von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übernommen. Es gibt aber auch Unternehmen, die sich ohne Prüfungspflicht freiwillig prüfen lassen. Sie tun das unter anderem, weil ein von Wirtschaftsprüfern testierter Jahresabschluss ihnen Sicherheit gibt sowie Vorteile beim Umgang mit Kreditinstituten und anderen Unternehmen verschafft.
Der deutsche Markt
Unter den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt es große und mittelständische. In der Regel beauftragen die großen kapitalmarktorientierten Unternehmen auch die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Branche spricht von den „Big 4“ als den vier mit Abstand größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Laut 2014er-Liste des Marktanalysten Lünendonk liegt beim Umsatz in Deutschland PwC auf Platz eins, dahinter KPMG, EY (früher Ernst & Young) sowie Deloitte. Für den Nachwuchs sind aber längst nicht nur diese Großen interessant: „In der stark vom Mittelstand geprägten deutschen Wirtschaft sind mittelständische und kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ebenso gefragt“, sagt Gerhard Ziegler, Präsident der Wirtschaftsprüferkammer (WPK).
Wie wird man Wirtschaftsprüfer?
Wirtschaftsprüfer zu sein ist nicht nur ein Beruf, sondern auch ein öffentliches Amt. Mit der Tätigkeit erfüllen Wirtschaftsprüfer einen öffentlichen Auftrag: Sie sorgen mit dafür, dass die deutsche Wirtschaft zuverlässig funktioniert und auf gesunden Beinen steht. Um als Wirtschaftsprüfer tätig sein zu dürfen, muss man daher ein Staatsexamen ablegen. Eine gute Grundlage für den Beruf ist ein wirtschaftswissenschaftliches Studium. Lauf WPK haben heute rund 85 Prozent aller praktizierenden Wirtschaftsprüfer ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert. Als Studienschwerpunkte empfehlen Experten besonders die Fächer Wirtschaftsprüfung, Betriebliche Steuerlehre sowie Steuerrecht. Der Karrierestart gelingt aber auch immer mehr Seiteneinsteigern:
„Auch Mathematiker, Naturwissenschaftler und Juristen haben sehr gute Chancen, Karriere als Wirtschaftsprüfer zu machen“, stellt Jörg Hossenfelder vom Branchenexperten Lünendonk fest. Um für die Prüfung zugelassen zu werden, muss der Bewerber in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bereits genügend praktische Erfahrungen gesammelt haben. Voraussetzung ist zum Beispiel eine mindestens zwei Jahre lange Assistenz-Tätigkeit bei Prüfungen.
Masterstudiengang zum Wirtschaftsprüfer
Wer sich schon früh auf den Beruf des Wirtschaftsprüfers festlegt, für den bieten spezialisierte Masterstudiengänge für den Beruf des Wirtschaftsprüfers einige Vorteile. „Das Studium bereitet umfassend auf die Übernahme einer Führungsposition und gezielt auf das Wirtschaftsprüferexamen vor“, sagt Prof. Dr. Edgar Löw, Programmdirektor für den Studiengang „Master in Auditing“ an der Frankfurt School of Finance & Management. „Zudem haben Absolventen, die das Examen zum Wirtschaftsprüfer anstreben, nur noch vier anstelle von sieben schriftlichen Prüfungen abzulegen, da ihre während des Studiums in den Gebieten Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht erbrachten Leistungen auf das Examen angerechnet werden.“ Die Frankfurt School Of Finance & Management bietet das Studium zusammen mit der Hochschule Mainz an, Partner sind die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, sodass der Studiengang direkt an die Praxis angebunden ist. Ziel ist es, die kommenden Absolventen in die Lage zu versetzen, praxisbezogene und interdisziplinäre Probleme zu lösen – und zwar stets mit Blick auf gewissenhaftes und eigenverantwortliches Handeln. Löw: „Für angehende Wirtschaftsprüfer ist eine kritische Grundhaltung unverzichtbar.“ Eine Besonderheit dieser Masterstudiengänge ist, dass sich Interessierte durch die Spezialisierung schon früher bei ihrer Berufswahl festlegen. „Natürlich bedeutet die Wahl des spezifischen Studiengangs nicht, dass man zwingend als Wirtschaftsprüfer tätig sein muss. Aber sie legt diesen Schluss nahe“, sagt WPK-Präsident Gerhard Ziegler. In jedem Fall lohne es sich, frühzeitig ein Praktikum zu absolvieren, um bei der Wahl des Masterstudiums die Weichen auch tatsächlich richtig zu stellen.
Alternative eins: Steuerberater
Für Unternehmen sind Steuerberater nicht nur in Steuerfragen tätig. Häufig übernehmen sie zudem – frei oder fest angestellt – die Erstellung von Jahresabschlüssen oder Aufgaben in der Buchhaltung. Jedoch darf ein Steuerberater ohne zusätzlichen Abschluss als Wirtschaftsprüfer nicht die Jahresabschlüsse von Unternehmen prüfen. „Viele Berufsangehörige sind sowohl Wirtschaftsprüfer als auch Steuerberater“, sagt Gerhard Ziegler. In der Regel nehmen diese Personen zunächst an der Prüfung als Steuerberater teil, was den Vorteil hat, dass das Examen zum Wirtschaftsprüfer dann um den steuerrechtlichen Teil verkürzt werden kann. „Kandidaten, die als erstes das Wirtschaftsprüferexamen absolvieren, legen in der Regel das Steuerberaterexamen nicht mehr ab“, so Ziegler. „Wirtschaftsprüfer besitzen auch die Befugnis, in steuerlichen Angelegenheiten zu beraten.“ Wer sich schwer zwischen den beiden Berufsbildern entscheiden kann, sollte Praktika in einer Prüfungsgesellschaft und in einer Steuerberatung absolvieren, rät Jörg Hossenfelder vom Branchenbeobachter Lünendonk. „So erhalten Anwärter bereits ein sehr gutes Bild von der Arbeit in der jeweiligen Branche.“ Wer dann in den Beruf einsteigt, sollte seine Wahl bereits getroffen haben, rät der Experte. Seine Einschätzung: „In der Regel wird bei den Big 4 schneller eine Spezialisierung angestrebt. Viele mittelgroße Wirtschaftsprüfungsgesellschaften fördern dagegen die Generalisten.“
Alternative zwei: Steuerfachwirte und Bilanzbuchhalter
Steuerfachwirte unterstützt den Steuerberater in seiner Tätigkeit. „Sie sind dabei sehr wichtige Mitarbeiter, da sie im großen Umfang an der Buchhaltung, am Jahresabschluss sowie an der Steuererklärung der Mandanten beteiligt sind“, sagt Jörg Hossenfelder. Je komplexer die Steuerberatung ist, desto größer und weitreichender ist der Tätigkeitsbereich des Steuerfachwirts. Zudem kann er nach einer siebenjährigen Tätigkeit ebenfalls am Steuerberaterexamen teilnehmen. Die Weiterbildung zum Steuerfachwirt nehmen häufig Steuerfachangestellte in Angriff, aber auch ausgebildete Bank-, Industrie- sowie Groß- und Außenhandelskaufleute sind zugelassen. Ein Vollzeitlehrgang dauert zwei Monate. Als Teilzeit- oder Fernlehrgang müssen zwölf bis 18 Monate eingeplant werden. Bilanzbuchhalter sind, was die Ausbildung betrifft, mit Steuerfachwirten gleichgestellt. Sie finden gute Karrierechancen in Unternehmen, wobei sich das Klischee vom unscheinbaren Sachbearbeiter längst erledigt hat: Die Prozesse in den Unternehmen sind heute so komplex, dass Spezialisten im Rechnungswesen als Experten und Berater häufig sehr eng mit der Unternehmensleitung zusammenarbeiten.
Gute Chancen für Inhouse-Karrieren
Wer sich eher für eine Karriere in einem Konzern und großen Unternehmen interessiert als für eine Tätigkeit in einer der Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatergesellschaften hat ebenfalls gute Aussichten. „Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sind für Großunternehmen und Konzerne besonders attraktive Mitarbeiter, da sie examiniertes Fachwissen mitbringen, wodurch eine hohe Qualität der internen Arbeit sichergestellt wird“, sagt Jörg Hossenfelder. Vor allem Inhouse- Mitarbeiter mit viel Projekterfahrung bringen eine breite Expertise in die Unternehmen ein, zum Beispiel bei wichtigen Themen wie Risikomanagement oder Mergers & Acquisitions. In Deutschland, so Jörg Hossenfelder, finden sich besonders viele Wirtschaftsprüfer unter den Finanzchefs der Unternehmen, also den CFOs und kaufmännischen Geschäftsführern. „Aber auch Karrieren als Leiter des Finanz- und Rechnungswesens oder in den Grundsatzabteilungen wie Rechnungslegung oder Reporting sind möglich.“
Immer nur Zahlen, oder was?
Klar, ganz ohne eine Affinität zu Zahlen geht es nicht. Aber vor allem die Wirtschaftsprüfer arbeiten für die Unternehmen heute vielseitig. Im Berufsalltag tauchen regelmäßig Fragen auf, die umfangreiche Spezialkenntnisse in verschiedenen Gebieten erfordern. IT-Kenntnisse sind wichtig, um digitale Buchhaltungssysteme zu beurteilen, auch in den Bereichen der Steuergesetzgebung und Compliance ist Knowhow gefragt. „Auf der anderen Seite verfügt der Wirtschaftsprüfer durch die Jahresabschlussprüfungen über exzellente Kenntnisse der internen Organisationsabläufe und Unternehmensstrukturen“, sagt WPK-Präsident Gerhard Ziegler. „Er kennt branchentypische Risiken – und er weiß, welche Geschäftsmodelle funktionieren und welche nicht.“ Das sind natürlich perfekte Voraussetzungen, um die vielfältigen Aufgaben zu meistern.
Linktipps
Weg zum Wirtschaftsprüfer
Die Wirtschaftsprüferkammer hat für spezielle Studiengänge eine Liste der anbietenden Unis und Fachhochschulen zusammengestellt.
www.wpk.de/nachwuchs/examen/hochschulenLehrgänge zur Vorbereitung auf das Examen zum Wirtschaftsprüfer:
www.wpk.de/nachwuchs/examen/anbieter-von-vorbereitungslehrgaengenWeg zum Steuerberater
Informationen zur Ausbildung als Steuerberater
www.die-steuerausbilder.de/beruf-steuerberater/ausbildungWeg zum Steuerfachwirt/Bilanzbuchhalter
Lehrgänge, die auf die Prüfung zum Steuerfachwirt vorbereiten:
www.beruf-steuerberater.de/steuerfachwirt-lehrgaenge-anbieterLehrgänge zum Bilanzbuchhalter:
www.bilanzbuchhalter-weiterbildung.de/berufsbild-bilanzbuchhalterPraxis-Erfahrungen sammeln
Die im Sommer 2015 freigeschaltete Praktikumsbörse der Wirtschaftsprüferkammer vermittelt Praktikumsplätze bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
www.wpk.de/nachwuchs/praktikumsboerse