Jäger wollte er werden, damit alles im grünen Bereich bleibt. Im „Green Green Grass of Home“ sieht er Rot und wird in Starnberg Landkreisvorsitzender der JuSos. Grün lässt ihn nicht los: Von Peking bis Davos geht er mit Greenpeace den Regenbogen entlang. „Grün satt“ kann auch über seiner neuen Aufgabe stehen, in der es um Lebensmittelsicherheit geht. Der karriereführer besuchte den ehemaligen Greenpeace- und heutigen foodwatch-Geschäftsführer Dr. Thilo Bode in Berlin. von Viola Strüder
Zur Person
Thilo Bode in action. Wenn es in ihm brodelt, betonen ausdrucksvolle Gesten die kritische Haltung. Seinen Einspruch kleidet er messerscharf in Worte, besonders wenn jemand ein Argument so nebenbei wegwischt. Dann sitzt er da, oft etwas vorgebeugt, knapp auf der Stuhlkante, ein Bein zurück, als wolle er zum Sprung ansetzen. In Position eben, energisch. So tritt er auf in Diskussionsforen oder Talk-Shows. Anders, als er zum Gespräch in seinem Berliner Büro erscheint: Zurückhaltend in der Körpersprache, der Blick verweilt ruhig beim Gegenüber, mal skeptisch, mal lachend, wenn er erzählt von den Stationen seines Berufsweges.
Kein Karriere-Kletterer?
Seine Visitenkarte spricht eine eigene Sprache: alles in Kleinbuchstaben. Keine Berufsbezeichnung, kein Doktortitel: „thilo bode, geschäftsführer“ steht bescheiden darauf und im krassen Gegensatz zu dem, was er als persönlichen Treibstoff angibt: „Vielleicht Geltungssucht, das Gefühl, anerkannt zu sein, Reputation, so genau weiß ich das nicht“, sinniert der 56-Jährige und erweitert: „Idealistische Zielsetzungen spielen eine Rolle, auch dieses gerne ein Exot sein wollen, gegen den Strich gebürstet zu sein.“ Als Moralist im Sinne unseres Kulturkreises bezeichnet er sich. Das Bild des Gutmenschen dagegen gefällt ihm nicht. „Furchtbar, das nervt“, ereifert sich der Mozart-Opern-Fan.
Untrennbar verbunden ist sein Name mit der Umweltorganisation Greenpeace e.V. und deren Aktionen in den 90er-Jahren. Zu den spektakulärsten gehören der Kampf gegen die Versenkung der Bohrinsel „Brent Spar“ in der Nordsee. Gegen Atomwaffen-Tests protestierte er in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens und wanderte dafür kurzzeitig ins Gefängnis. Was motivierte ihn, sich als Chef von Greenpeace in Lebensgefahr zu begeben? „Das macht man ja nicht wirklich, das sieht immer wilder aus, als es ist. Man hat Angst, aber es ist ein kontrolliertes Risiko. Der körperliche Einsatz auf den Schlauchbooten zum Beispiel ist hart. Aber wenn man in dieser Position ist, dann gehört es zum organisierten zivilen Ungehorsam und als Protest dazu, auch bei einer solchen Aktion mitzumachen.“ Zwölf Jahre war Thilo Bode insgesamt für Greenpeace tätig, hat verändert und verhindert. Letzteres, „weil es plötzlich Leute gab, die Greenpeace schick machen wollten, die beim Bewerbungsgespräch nach dem Dienstwagen fragten. Dabei ist Herzblut das Entscheidende für die Arbeit dort und eigener Mut zum Risiko. Denn ohne Risiko hat man keinen Erfolg“.
Kein Kaulquappen-Retter?
Aufgewachsen am Ammersee als Sohn eines Journalisten und einer Buchhändlerin, weist in der Erinnerung an Kindertage nichts auf sein späteres Engagement hin. Obwohl Thilo Bode sich schon immer für die Natur habe begeistern können. Aber statt Kaulquappen zu retten und im Biologie-Unterricht die Lehrer zum Gummistiefel-Tag im knöchelhohen Sumpf zu animieren, mischte er lieber im Schultheater mit. In Thornton Wilders Stück „Unsere kleine Stadt“ spielte er den Vater, den ruhenden Pol. „Und es gibt Leute, die sagen, ich sei heute noch ein Schauspieler.“
Kein Kanzler-Kandidat?
Das Interesse für Umwelt und Politik hat sich in der Jugend eingestellt. Bis zum Kreisvorsitzenden der JuSos brachte er es Ende der 60er-Jahre in der bayerischen Heimat. Willy Brandt fand er damals gut, wie er heute sagt, und wenn man Thilo Bodes Lebenslauf betrachtet, drängt sich die Frage auf, warum er nie Berufspolitiker geworden ist? „Politikerkarrieren sind Parteikarrieren. Diesen Weg wollte ich nicht gehen. Man kann von außen besser Druck ausüben, mehr erreichen.“ Wo er am besten wirken könnte? „Vielleicht als Pfarrer“.
Er studierte zunächst Sozialwissenschaften, brach ab und wechselte zur Volkswirtschaftslehre, „weil sie substanzielle Fragen beantwortet“. Und Antworten hat er gesucht. „Warum gibt es arm und reich?“, war eine, die ihn umtrieb. Nicht Karrieredenken, sondern was Spaß macht, stand im Vordergrund. „Ich habe im Leben oft ungeplant gehandelt, vieles aus dem Bauch heraus entschieden, auch nicht auf materielle Dinge geachtet. Wenn es danach geht, habe ich nichts erreicht.“ Die Dritte Welt interessiert ihn, nach dem Studium geht er ins Ausland. Später, bei einem Metallkonzern, als Vorstandsassistent, entdeckt er Führungsaufgaben für sich. „Das war die Realität des Wirtschaftslebens, in der Entwicklungshilfe ging es eben doch eher um idealistische Dinge.“ Das Managen an sich fand er spannend, die Art der Tätigkeiten, Entscheidungen zu treffen, Erfolg zu haben. Welche Bedeutung hat Macht für ihn? „Macht ist geil“, sagt er mit blitzenden Augen, medienwirksam, spöttisch und legt ernsthaft nach: „Macht bedeutet für mich, dass man über das Schicksal von Menschen und Dingen entscheiden kann. Macht zu haben ist gut.“
Thilo Bode über Persönlichkeitsentwicklung
„Es gibt im Leben immer persönliche Wendepunkte. Trennungen, Verluste. Menschen, die keinen Schmerz und keine Tiefpunkte erleben – das wirkt sich negativ aus auf die Persönlichkeitsentwicklung. Niederlagen sind wichtig, mal ein Spiel nicht zu gewinnen und das Umgehen damit zu lernen.“
In die Welt der Nongovernmental-Organizations nahm er das Management-Denken mit. Trainings zur Mitarbeiterführung etwa bot er bei Greenpeace der mittleren Leitungsebene an. Coaching hält er für unerlässlich. „Mit den Führungsqualitäten ist es ähnlich wie mit dem Klavierspiel. Man braucht Talent, man darf nicht unmusikalisch sein, aber zum großen Teil ist es eine Frage der Technik, und die ist erlernbar. Welches Prinzip man später anwendet, das ist dann eher eine Typfrage.“ Gute Führung, das ist für ihn Klarheit, Ehrlichkeit, auch den Mut bei Menschen zu entwickeln, “nein“ zu sagen, dazu klare Zielvorgaben und ein entsprechendes Feedback geben zu können. Von sich selbst behauptet Thilo Bode, ein schlechter Menschenkenner zu sein. Daher überlasse er vielfach Personalauswahlprozesse seinen Mitarbeitern.
„Die wissen, wer zu uns passt.“ Nachhaltigkeit zeigt er auch im Zusammenspiel mit seinem heutigen Team, für dessen Rekrutierung er ehemalige Greenpeace-Kollegen um Unterstützung bat. Noch einmal etwas Neues machen zu wollen, war der Grund, warum er wegging von den „Rainbow-Warriorn“. Mit der 2002 gegründeten Verbraucherschutzorganisation foodwatch macht er aufmerksam auf die wunden Punkte der Lebensmittelsicherheit, setzt sich ein für vollständige Information in der Produktionskette: „Vom Trog bis zum Teller, vom Bauern bis zum Weltkonzern.“
Kein Held von Welt?
Eigentlich wollte Thilo Bode als Junge Jäger werden. Und in gewisser Weise erfüllte sich sein kindlicher Berufswunsch. Nicht im Forst, sondern im Leben, auf der Jagd nach den wahren grünen Diamanten: nach Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit und ökologischer Verantwortung. Und beim Jagen schreckt er auch vor Radikalität nicht zurück. Er möchte Mut machen, motivieren, sich zu engagieren. Vorträge in Schulen und Hochschulen hält er gerne, weil dort ein tolles Feedback kommt. „Die jungen Leute heute haben doch alle Möglichkeiten“, grübelt er, der selbst Vater eines 30-Jährigen Sohnes ist. „Fahren Sie doch einmal mit auf einem Schiff von Greenpeace und lassen Sie sich für drei Tage einsperren in ein ausländisches Gefängnis.“ Viele würden ihn fragen, was sie dafür bekommen? – „Ein spannendes Leben“.
Ein Werte-Gang
Thilo Bode, geboren 1947, aufgewachsen in Herrsching am Ammersee. Sein erstes Geld verdient er als Postbote und Bauarbeiter. Studium mit der Unterstützung der Eltern. Er begann 1969 mit dem Soziologie- später mit dem Volkswirtschaftslehre-Studium an den Universitäten München und Regensburg. Abschluss als Diplom-Volkswirt 1972. Stipendium für die Promotion. Nach einer Forschungstätigkeit an der Universität Regensburg promovierte er 1975 über das Thema Direktinvestitionen zum Dr. rer. pol. Berufliche Stationen bei Lahmeyer International, Frankfurt, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt, und bei einem mittelständischen Metallkonzern in Düsseldorf. Eine hohe Bekanntheit erlangte er als Geschäftsführer von Greenpeace e.V. Deutschland, wo er zwischen 1989 und 1995 wirkte. Zwischen 1995 und 2001 lebte er in Amsterdam und arbeitete dort als Executive Director für Greenpeace International. 2001 folgte die Rückkehr nach Deutschland. Seither lebt er in Berlin und wirkt als freier Autor und Berater sowie seit Herbst 2002 als Geschäftsführer der neuen Verbraucherschutzorganisation foodwatch e.V.
Weitere Informationen
foodwatch-Team. Die neue Verbraucherschutzorganisation foodwatch will ‚Demokratie auf dem Teller‘ – und nimmt den gesamten Ernährungssektor aus Verbrauchersicht unter die Lupe. Politisch und finanziell unabhängig und weltanschaulich ungebunden finanziert sie sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern. www.foodwatch.de