Dank gut überlegter Produktvielfalt steuert er sein Unternehmen durch das konjunkturelle Tief. Und auch er selbst ist alles andere als eindimensional: Neben seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der Bauer AG lehrt Thomas Bauer an der TU München, leitet Tarifverhandlungen für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und reserviert so viel Zeit wie möglich für seine Familie. von Anne Thesing
Herr Bauer, Sie stehen an der Spitze eines Familienbetriebes. Wie bewerten Sie diese Unternehmensform?
Ich bin der Meinung, dass ein Familienunternehmen viele Vorteile hat. Hauptsächlich für die Mitarbeiter. Das liegt vor allem an der persönlichen Verantwortung, die ein Familienmitglied in der Führung trägt. Daran können sich die Mitarbeiter besser orientieren als an einem Management, von dem man nicht weiß, wie lange es in Funktion ist. Bei uns stehen die Menschen im Mittelpunkt. Mein Vater und ich kennen die Mitarbeiter von jeher, und es ist uns sehr wichtig, die Arbeitsplätze zu erhalten. In einer Publikumsaktiengesellschaft betrachtet man das eher mathematisch: Rechnet es sich, die Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten oder nicht? Wir sehen das Ganze ein Stück emotionaler -ohne dabei unprofessionell zu handeln.
Hat ein Familienunternehmen auch Nachteile?
Ein Problem in der Familiengesellschaft besteht sicher darin, dass zu viel von einer Person abhängt. Daher führen wir unser Unternehmen mit einem professionellen Management und vierköpfigem Vorstand. Jede Firma im Konzern hat ihre Geschäftsführung, die selbstständig arbeitet und entscheidet.
Empfehlen Sie Ihren beiden Söhnen, ebenfalls in den Familienbetrieb einzusteigen, oder raten Sie Ihnen davon ab?
Weder noch. Ich versuche mich da so neutral wie möglich zu verhalten. Das hat einen ganz klaren Grund. Bei einer kleinen Firma, zum Beispiel einer Schreinerei mit zehn Mitarbeitern, ist es relativ wahrscheinlich, dass die Kinder den Betrieb übernehmen und führen können. Doch ob ein heute 20-Jähriger eines Tages ein Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern führen kann, das kann man einfach noch nicht wissen. Dazu gehört nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch ein Gespür für Situationen und Menschen. Ob meine Kinder das haben, müssen sie selbst herausfinden. Ich will sie nicht zu etwas drängen, was ihnen nicht liegt – denn etwas zu tun, was man nicht kann, ist das Schlimmste, was einem im Leben passieren kann. Deshalb bin ich da sehr vorsichtig.
Sie selbst sind bereits seit über 20 Jahren im Unternehmen. Welches waren Ihre wichtigsten Karrierestationen?
Zuerst habe ich die gesamte kaufmännische Leitung und Betreuung unseres Auslandsbereiches übernommen. Dieser Bereich war noch relativ klein und auf wenige Länder im arabischen Raum beschränkt. Ein Jahr später bin ich dann in die kaufmännische Leitung des Gesamtunternehmens eingetreten. Das war in der Zeit, als wir uns intensiv um den Aufbau unseres Maschinenvertriebs kümmerten. 1986, also schon nach vier Jahren in der Firma, habe ich die Geschäftsführung übernommen und seitdem leite ich das Unternehmen. Ich habe mir natürlich immer wieder meine eigenen Schwerpunkte gesetzt, sodass es praktisch keine Tätigkeit im Unternehmen gibt, die ich nicht selbst auch mal gemacht habe.
Und was sind Ihre Hauptaufgaben an der Spitze des Unternehmens?
Meine Hauptaufgabe ist es, das Unternehmen insgesamt zu strukturieren und zu organisieren. Dazu gehören viele Besprechungen, in denen es darum geht, wie unsere Zukunft aussieht, welche Mitarbeiter welche Bereiche führen werden, wie wir uns aufstellen wollen und so weiter.
Warum engagieren Sie sich darüber hinaus als Vizepräsident des Vorstandes der deutschen Bauindustrie?
Weil ich der Meinung bin, dass jeder Unternehmer auch etwas für die Gemeinschaft tun und sich für die Rahmenbedingungen engagieren sollte – ob das nun politische Rahmenbedingungen sind, Tarifverträge oder Ähnliches. Als ich vor zwölf Jahren gebeten wurde, in die Tarifkommission des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie zu gehen, sagte ich zu. Vor ungefähr sechs Jahren übernahm ich den Vorsitz und führe seitdem die Tarifverhandlungen. In dieser Funktion ist man automatisch auch Vizepräsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie.
Außerdem sind Sie noch Lehrbeauftragter der TU München und, nicht zu vergessen, Familienvater. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Das ist nur möglich, weil ich es geschafft habe, eine sehr gute Mannschaft in der Firma aufzubauen, die mich nicht mehr für alles braucht. Ich denke, das ist eigentlich das wichtigste Ziel eines Unternehmers – bei seinen Mitarbeitern ein Stück Selbstständigkeit zu organisieren.
Das Zweite ist natürlich, dass ich gelernt habe, meine eigene Arbeit optimal zu organisieren. Dinge schnell, effektiv und professionell zu erledigen. Wenn man das alles beachtet, schafft man viel und es funktioniert auch mit der Familie. Auch die muss ich natürlich ein Stück mehr organisieren als andere, die um 17 Uhr in Feierabend gehen. Ich habe ganz feste Zeiten, die ausschließlich nur für die Familie reserviert sind, und darin bin ich auch konsequent. Zum Beispiel fahren wir jedes Jahr insgesamt fünf Wochen zusammen in Urlaub.
Wie beurteilen Sie die momentane Situation für Berufseinsteiger des Bauingenieurwesens?
Im Moment sind die Berufseinstiegschancen wirklich schlecht, und bei den Bauingenieurstudenten herrscht enorme Verunsicherung. Die großen Studienjahrgänge sind in der Abschlußphase, und gerade jetzt brauchen die Firmen kaum Ingenieure. Aber es ist wichtig zu sehen, dass dies eine temporäre Sache ist. Ich bin überzeugt, dass zurzeit viel zu wenig junge Menschen Bauingenieurwesen studieren und dass wir bereits in wenigen Jahren eine völlig andere Situation haben werden. Die Firmen werden sich die Bauingenieure gegenseitig mit aller Gewalt abwerben. Auf Dauer wird der Bauingenieur ein guter Beruf sein.
Was unternimmt Ihr Unternehmen ganz konkret, um trotz dieser Krise erfolgreich zu sein?
Als ich die Firma als Geschäftsführer übernommen habe, waren wir mit dem größten Teil unseres Geschäftes nur im Inland tätig. Im Laufe der Jahre haben wir uns auch immer mehr aufs Ausland konzentriert. Außerdem haben wir unterschiedliche, etwa gleich große Sparten. Da ist zum einen unser Spezialtiefbau Inland, der noch etwa ein Viertel unseres Umsatzes ausmacht. Ebenfalls ein Viertel des Konzernumsatzes bringt der Spezialtiefbau Ausland. Gut 30 Prozent fallen auf den Maschinenbau, und die letzten 20 Prozent kommen aus den Spezialtechniken – Umwelttechnik, Reinigung von Grundwasser und Boden, schlüsselfertige Tiefgaragen, komplette Brücken und ähnliche Aufgaben. Wir haben also in den letzten Jahren versucht, durch Internationalisierung und Produktvielfalt von Marktschwankungen unabhängiger zu werden. Ohne dabei unsere Kernkompetenz, den Spezialtiefbau, zu vernachlässigen. Und das ist uns, glaube ich, sehr gut gelungen. Immerhin haben wir es in den letzten Jahren geschafft, unseren Umsatz zu halten. Ein kleines bisschen konnten wir sogar wachsen. So kommt unser Unternehmen relativ gut durch diese schwierige Zeit.
Also bleibt Bauer ein attraktiver Arbeitgeber für künftige Absolventen?
Ich bin überzeugt dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind und bleiben. Wobei im Moment natürlich auch wir eher wenig neue Mitarbeiter einstellen.
Welche Tipps geben Sie für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben?
Viele Absolventen machen den Fehler zu glauben, dass ihr Lernprozess mit dem Studium abgeschlossen sei. Doch nach meiner Erfahrung braucht man mindestens noch zwei bis drei Jahre Berufserfahrung, bis man ein Gespür dafür hat, was in der Praxis wirklich stattfindet. Bis man weiß, wie eine Firma tickt, wie sie funktioniert. Zwischen Theorie und Praxis liegt eben ein riesiger Unterschied. Deshalb rate ich allen, vom ersten Tag an die Augen aufzumachen, offen an die Dinge heranzugehen und die Bereitschaft mitzubringen, noch einmal massiv zu lernen.
Sie selbst haben damals ein Studiensemester in den USA verbracht. Für wie wichtig halten Sie Auslandserfahrungen?
Für absolut wichtig. Ich habe damals in Amerika studiert, um überhaupt ein Arbeitsvisum zu erhalten. Anschließend habe ich ein gutes Jahr dort in einer Baufirma gearbeitet. Ich bin der Meinung, dass jeder, der beruflich erfolgreich sein will, wenigstens ein Auslandsjahr braucht. Erst dann haben Sie so gute Sprachkenntnisse erlangt, dass Sie bei internationalen Verhandlungen nicht über den Tisch gezogen werden können. Wenn Sie den anderen nicht hundertprozentig verstehen, kann das leider schnell passieren. Was Sie in dieser Zeit im Ausland machen – studieren oder arbeiten -, ist ziemlich egal.
Die Bauer AG ist einerseits Hersteller von Baugeräten und zugleich auch Bauunternehmen. Ist das nicht eine ungewöhnliche Kombination?
Stimmt, und jeder, der davon hört, fragt zuerst: „Wie könnt ihr eure Maschinen an eure Konkurrenten verkaufen?“ Denn das ist die Konsequenz. Unsere Konkurrenten sind eben zugleich auch unsere Kunden. Aber eine hochmoderne Baumaschine kann man nicht nur für sich selbst entwickeln. Wenn wir im Jahr nicht wenigstens 20 oder 30 Stück eines Typs bauen, ist der Entwicklungsaufwand so übermächtig, dass wir mit der Maschine nur Verluste machen. Die Entscheidung, die man treffen muss, kann nur heißen: Wollen wir Maschinen bauen? Wenn ja, müssen wir sie auch verkaufen.
Welche Vorteile hat diese Kombination?
Unser Maschinenbau ist durch die Kombination sehr praxisorientiert, denn wir bauen die Maschinen aus der Verfahrensidee heraus. Wir wissen genau, wo welcher Bedarf vorhanden ist und was genau wir erreichen wollen. Bei uns gibt es auch zwischen Maschinenbau und Bau einen starken Personalwechsel. Von den drei Geschäftsführern im Maschinenbau sind zwei Bauingenieure. Ich glaube, das ist das, was die Eigenart unserer Firma ausmacht und weshalb wir gut sind.
An welchem Großprojekt arbeitet die Bauer AG gerade aktuell?
Wir haben gerade sehr viel für die ICE-Strecke München-Nürnberg gebaut. Und in Dubai arbeiteten wir gerade am höchsten Tower der Welt, dem Burj Dubai. Intensiv sind wir auch am Inselprojekt „The Palm“ tätig. Der Maschinenbau war zuletzt an einem Projekt tätig, bei dem Diamantenvorkommen im Norden Kanadas erschlossen werden.
Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche und private Zukunft?
Für das Unternehmen und die deutsche Bauwirtschaft wünsche ich mir vor allem, dass Politik und Bevölkerung einsehen, dass Zukunft ohne Bauen nicht möglich ist. Das kann man gut mit den Investitionen eines Unternehmens vergleichen. Wenn wir keine neuen Bagger mehr kaufen, dann sind wir in zehn Jahren pleite. Genauso ist auch ein Land in zehn Jahren pleite, wenn es nichts investiert.
Was mich persönlich betrifft, bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich mache, und hoffe, dass es noch lange so weitergeht.
Karriere bei Bauer
Thomas Bauer (Jahrgang 1955) studierte von 1976 bis 1980 Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und verbrachte anschließend ein Jahr in den USA, bei der J.A. Jones Construction Company. 1982 begann er als kaufmännischer Leiter Ausland bei der Bauer Spezialtiefbau GmbH, wurde anschließend Geschäftsführer des Gesamtunternehmens und führte von 1988 bis 1993 auch den Bereich Bau Inland. Seit 1994 ist er Vorsitzender des Vorstandes der Bauer AG.