Was fehlt noch zum Durchbruch der Elektromobilität? Haben auch andere alternative Antriebsformen Chancen? Und was bedeutet das für junge Ingenieure? Antworten gibt Florian Rothfuss, Experte für die Mobilität von morgen bei der Fraunhofer Gesellschaft. Das Interview führte André Boße.
Zur Person
Florian Rothfuss, geboren am 2. März 1980, ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und leitet am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO das Geschäftsfeld „Mobilitäts-und Stadtsystemgestaltung“. Mit seinem Team aus Ingenieuren, Stadtplanern, Informatikern, Wirtschaftswissenschaftlern und Soziologen arbeitet er an Systemlösungen für die
Mobilität und die Städte der Zukunft.
Herr Rothfuss, noch immer hat die Elektromobilität den Durchbruch nicht geschafft. Was fehlt noch?
Bis vor kurzer Zeit haben die attraktiven Fahrzeugmodelle gefehlt. Es gab noch zu wenige Autos auf dem Markt, die mit Blick auf die Leistung, die Reichweite oder auch das Design mit herkömmlichen Fahrzeugen mithalten konnten. Das hat sich geändert, das Fahrzeugangebot ist nun da. Was dabei für die deutschen Hersteller spricht, ist, dass rund 60 Prozent der neu zugelassenen Elektroautos von heimischen Unternehmen kommen. Was jedoch weiterhin fehlt, ist eine flächendeckende Ladestruktur. Also nicht nur im urbanen Raum, sondern auch auf dem Land. Die Endkunden möchten ihr Elektroauto aber auch nutzen, wenn sie außerhalb von Städten unterwegs ist. Es muss daher auch außerhalb der Zentren eine Struktur geben, um flächendeckend und schnell aufzuladen.
Gibt es eine weitere technische Herausforderung, die Ingenieure noch lösen müssen?
Ein Thema ist die Prognose und auch der Verfall von Reichweite. Gerade in der kalten Jahreszeit, die Einbußen können dann bis zu 50 Prozent betragen, weil die Batterie generell durch die Kälte leidet und zudem der Nebenverbrauch zum Beispiel durch die Heizung deutlich ansteigt. Wer als Endkunde ein Auto mit einer versprochenen Reichweite von 150 Kilometern kauft, dann aber im Winter nur 75 Kilometer weit kommt, ist berechtigterweise enttäuscht. Neben den durch Batterie betriebenen Fahrzeugen entwickelt die Industrie auch weiterhin Brennstoffzellenautos, die in der Regel durch Wasserstoff angetrieben werden. Ist schon entschieden, wie der Wettbewerb der alternativen Antriebe ausgehen wird?
Es gibt aktuell eine kleine Renaissance der Brennstoffzellenfahrzeuge. Es bilden sich hier neue Allianzen aus Automobilherstellern und Gaslieferanten, erste serienverfügbare Fahrzeuge, zum Beispiel von Toyota, haben zuletzt für Aufsehen gesorgt. Welche alternative Antriebsform sich schließlich durchsetzen wird – das ist weiterhin für alle Akteure in der Branche sehr schwer einzuschätzen.
Wo liegen die Nachteile der Brennstoffzellentechnik?
Noch sind die Fahrzeuge zu teuer. Eine Infrastruktur, um die Autos mit Wasserstoff zu betanken, gibt es noch nicht, und auch die Energieeffizienz dieser Fahrzeuge ist noch deutlich ausbaufähig, denn bei der Umwandlung von chemisch gebundener Energie in Strom geht noch recht viel verloren.
Wie kann denn ein junger Ingenieur feststellen, welche Technik die Nase vorn hat?
Die Marktanteile sind ein wichtiger Indikator, und aktuell liegen Hybrid- und Batteriebetriebene Fahrzeuge vorne. Aber das ist eben noch nicht in Stein gemeißelt. Ein entscheidendes Jahr wird in meinen Augen 2020 sein: Wenn es bis dahin preislich attraktive Brennstoffzellenfahrzeuge gibt und eine Infrastruktur zur Betankung mit Wasserstoff aufgebaut ist, bekommt diese Technik ihre Chance. Ansonsten werden die mit Batterien angetriebenen Fahrzeuge in fünf Jahren schon so weit sein, dass die Brennstoffzellentechnik diesen Rückstand kaum noch aufholen kann.
Mit Blick auf den Ingenieurnachwuchs: Was macht den Einstieg in die Autoindustrie derzeit besonders spannend?
Die Branche befindet sich in einem echten Umbruch. Es geht nicht nur mehr darum, die Fahrzeuge zu optimieren und den letzten Prozentpunkt aus einem Getriebe herauszuholen. Die Ingenieure dürfen neu denken. Sie müssen es sogar. Und gerade die jungen Ingenieure haben sehr gute Chancen, relativ schnell aufzusteigen. Sie bekommen an den Unis und Hochschulen den neuesten Stand des Wissens vermittelt und kommen damit in die Unternehmen, wo sie auf ältere Ingenieure treffen, die zwar viele Erfahrungen mit Verbrennungsmotoren mitbringen, aber im Bereich der Elektromobilität weniger Know-how besitzen. Der Nachwuchs muss sich nun vielfach nicht mehr über Jahre hinweg hocharbeiten, sondern kann sich zügig als ein echter Experte in einem der neuen Bereiche etablieren.