Die Generation Z ist im Anmarsch, und sie denkt komplett anders als ihre Vorgängergeneration, die Y. Die Einsteiger von morgen trennen wieder scharf zwischen Arbeits- und Privatleben. Sie machen es sich gemütlich in ihrer kleinen Welt und geben sich schnell zufrieden. Das Problem: Weder führen sie gerne, noch stellen sie sich den großen Herausforderungen unserer Zeit. Der Saarbrücker BWL-Professor Christian Scholz hat als einer der ersten die kommende Generation Z und ihren Einfluss auf die Berufswelt analysiert. Sein Rat an die Führungskräfte, die bald auf diese jungen Menschen treffen: in Twitter-Häppchen erklären und die Ponyhof-Idylle stören. Das Interview führte André Boße
Zur Person
Christian Scholz (geboren am 18.10.1952 in Vöcklabruck/Oberösterreich) studierte in Regensburg und an der Harvard Business School und ist seit 1986 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Er etablierte sich als Experte für Personalmanagement, schrieb in diesem Bereich Standarwerke und prägte für die moderne Arbeitswelt den Begriff des „Darwiportunismus“: Auf der einen Seite gilt der Darwinismus, nach dem Unternehmen die Besten wählen und die weniger Guten aussortieren, auf der anderen Seite handeln die Menschen opportunistisch, in dem sie ihre Chance suchen und sich anpassen.
Herr Scholz, wie unterscheidet sich die Generation Z von der Generation Y?
Vertreter der Generation Y haben beim Einstieg in den Job davon geträumt, Karriere zu machen. Sie haben geglaubt, dass sich Leistung lohnt, dass sich Loyalität auszahlt. Kurz: diese Generation war optimistisch. Sie hat Chancen gesehen, war motiviert, diese zu ergreifen, und hat dafür in Kauf genommen, dass sich die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben aufgelöst hat.
Nun kommt die Generation Z …
… ja, und diese hat sehr genau hingeschaut, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Sie hat erkannt, dass die Karrierechancen gar nicht so groß sind, wie man geglaubt hat. Dass die Karriere zudem mit Phänomenen wie Stress oder Burn-out einhergehen kann. Und dass Unternehmen abseits ihrer Formulierungen auf den Homepages und in Hochglanzbroschüren weiterhin ganz andere Dinge im Kopf haben, als sich tatsächlich um das Wohl ihrer Mitarbeiter zu kümmern.
Wie tritt denn die Generation Z im Vergleich zur Vorgängergeneration in den Unternehmen auf?
Emotional distanzierter. Auch für diese Generation ist der Arbeitsplatz im Unternehmen ein Teil des Lebens – allerdings ein klar abgegrenzter Teil. Es wird also wieder eindeutig zwischen Arbeitszeit und Privatleben getrennt.
Erledigen sich damit alle Konzepte der Work-Life-Balance?
Bei den Vertretern der Generation Z, ja. Nehmen wir die Modelle zur flexiblen Arbeitszeit: Vertreter der Generation Z halten davon wenig. Sie gestalten ihr Leben wieder streng nach der Uhr: Um 17 Uhr beginnt die Freizeit, dann wird der Hebel umgelegt. Die Generation Z begreift, dass die so genannten Angebote zur Work-Life-Balance in Wirklichkeit deutliche Aufforderungen waren, flexibel zu sein und rund um die Uhr für das Unternehmen mitzudenken. Sie hat erkannt, dass es sich hier eher um ein Work-Life-Blendwerk handelte – und nun zielt sie auf eine Work-Life-Trennung.
Für Personaler kommt diese kommende Generation zur Unzeit, schließlich fangen viele Unternehmen gerade erst an, ernst zu nehmende Konzepte zur Work-Life-Balance zu etablieren.
Schon vor 15 Jahren, als die ersten Vertreter der Generation Y losgelaufen sind, hätten Unternehmen hier aktiv werden müssen. Nicht erst heute. Jetzt werden Unternehmen zum erneuten Handeln gezwungen, denn die Denkmuster der Generation Z sind ansteckend. Die anderen Generationen beobachten das Verhalten der Z-Vertreter und fragen sich: Warum nehmen sich die jungen Kollegen feste Arbeitszeiten heraus – und ich nicht? Aus diesem Grund ist es für Unternehmen und ihre Führungskräfte so wichtig, sich auf das Denken der kommenden Generation rasch und differenziert einzustellen. Der Einfluss der Generation Z wird sehr schnell wachsen. Zumal diese jungen Menschen nicht mit einem flauen Gefühl im Bauch um fünf nach Hause gehen – sondern eben glücklich und zufrieden.
Das Buch
„Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt“ ist eine spannend zu lesende Gesellschaftsanalyse, die beschreibt, wie sich die Arbeitswelt durch den Auftritt der neuen Generation Z ändern wird. Christian Scholz legt dar, dass diese kommende Generation nicht willkürlich oder aus Bequemlichkeit so denkt, sondern dass ihre Ansichten logisch zu erklären sind. In seinen Schlussfolgerungen plädiert der Autor für ein Miteinander der Generationen, wobei der Generation Y hier große Chancen hat: Sie ist eher in der Lage, zu differenzieren und zu motivieren.
„Generation Z: Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt“, ISBN-13: 978-3527508075
Man könnte beinahe sagen: unverschämt glücklich und zufrieden.
Aus Sicht der Vorgängergenerationen könnte man das sagen, ja. Auffällig ist, dass die Generation Z bescheidener, weniger materialistisch daherkommt. Ein kleines Auto reicht. Urlaub an der deutschen Küste ist auch okay. Ein Abend zuhause auf der Couch ist eine wunderbare Vorstellung. Eigentlich fehlt nur noch der Gartenzwerg. Vor allem aber: Die Generation Z ist mit sich selbst im reinen. Und hier unterscheidet sie sich vor allem von der Generation X: Diese tickte, was die Trennung von Arbeit und Privatleben betrifft ganz ähnlich wie die Z, war aber tendenziell unzufrieden.
Zufriedene junge Menschen, das klingt zunächst einmal gut. Oder?
Was gut ist: Ein Vertreter der Generation Z, der auf seine Pausenzeiten achtet und um fünf nach Hause geht, leistet teilweise mehr als manch ein Workaholic aus der Generation Y, der von Projekt zu Projekt hetzt, sich dabei verliert und dann im Burn-out landet. Es gibt aber auch ernstzunehmende Schwierigkeiten: So wollen die jungen Menschen der Generation Z nur ungern Führungsverantwortung übernehmen.
Warum ist das so?
Weil es Zeit und Nerven kostet. Es gefährdet die Zufriedenheit. Führung bedeutet, Ziele vorzugeben und andere Menschen zu begleiten, zu beurteilen, zu lenken, zu kritisieren. Und das passt nicht in die Harmonieseligkeit, nach der diese Generation strebt.
Woran machen Sie diesen Wunsch nach Harmonie fest?
Zum Beispiel daran, wie die Generation Z ihre Arbeitsplätze einrichtet. Die Generation Y hat das gesamte Unternehmen im Blick. Sie sucht nach Sinn in ihrer Tätigkeit, schaut auf das Verhalten und die Werte des Arbeitgebers. Das ist der Generation Z viel zu komplex. Der Arbeitsplatz ist hier ganz wörtlich das eigene Büro mit zwei, drei engen Kollegen, Zimmerpflanze und Teetasse auf dem Tisch, dazu Fotos vom Freund oder der Freundin. Eine kleine Pippi-Langstrumpf-Welt. Man kann auch sagen: spießig. Es fehlt noch der Ärmelschoner, dann wären wir bei Heinz Erhardt, also dem fleißigen Angestellten der Wirtschaftswunderzeit. Ideen wie flexible Arbeitsplätze und Großraumbüros gehen nicht nur an dieser Generation vorbei, sondern stoßen zwangsläufig auf Ablehnung.
Diese kleine, beinahe spießige Welt in den großen Unternehmen, die sich mit den komplexen Themen dieser Zeit beschäftigen müssen – kann das gut gehen?
Hier liegt das große Problem. Die Unternehmen sind in einer globalisierten Welt tätig. Es stehen die großen Themen Umweltschutz, Klimawandel und soziale Gerechtigkeit an, und es fällt so schwer wie nie zuvor, die jungen Menschen dazu zu bewegen, gesellschaftlich oder politisch zu denken. Mehr noch, sie bekommen die gravierenden Änderungen in der Arbeits- und Bildungswelt, die auch sie negativ betreffen, häufig gar nicht mit. Wenn ich auf meine Uni in Saarbrücken schaue: Früher konnte ich in Vorlesungen die Themen aufgreifen, die am Abend zuvor in einem der politischen TV-Magazine gezeigt wurden. Heute geht das alleine schon deshalb nicht mehr, weil diese Sendungen nicht geschaut werden. Ich müsste schon über Kochshows reden, um die jungen Menschen abzuholen.
Waren die anderen Generationen in dieser Hinsicht wirklich anders?
Aus meiner Sicht waren sie definitiv anders, aber natürlich nicht besser. In der Generation der Baby-Boomer wurde an der Universität für gesellschaftspolitische Ziele gestreikt. Es war aber auch die Zeit von Vietnam und es wurden zum ersten Mal wirkliche Unterschiede zwischen Arm und Reich deutlich, was dann im Wertemuster der Generation X deutlich wurde. Die Generation Y erlebte die Bologna-Reform, und der typische Vertreter dieser Generation jubelte damals: Ein einfacheres und an den Zielen der Unternehmen ausgerichtetes Studium – schon nach drei Jahren fertig und dann mit dem Bachelor genauso viel Gehalt wie mit einem Diplom: eine super Sache. Die Generation Z sieht, dass das alles nicht so geworden ist. Sie akzeptiert das neue System, zieht aber ihre Konsequenzen: Wenn gute Noten wichtig sind, dann ist halt alles abseits des Zauberwortes „klausurrelevant“ automatisch für mich irrelevant.
Was stelle ich als junge Führungskraft mit dieser kommenden Generation an? Wie begeistere ich sie, auch einmal mehr zu tun, als nötig?
Ich bin kein Ponyhof-Verfechter, glaube also nicht, dass es sinnvoll ist, eindimensional auf die Bedürfnisse der Generation Z einzugehen. Diese soll und darf zwar durchaus ihre Wünsche artikulieren. Eine junge Führungskraft der Generation Y darf das aber auch. Sie darf also sagen: „An dieser Stelle spiele ich nicht mit.“ Die Generation Z ist schlau genug, dann Kompromisse einzugehen, denn das ist die beste Art, um die Harmonie aufrecht zu erhalten. Wichtig für Führungskräfte wird es in Zukunft sein, richtig einzuschätzen, welche Denkmuster die Mitglieder im Team haben. Ich muss erkennen können: Wer denkt wie Y, wer denkt wie Z. Was kann ich von dem einen verlangen, was von dem anderen. Hier haben junge Führungskräfte der Generation Y einen Vorteil, denn für ältere Führungskräfte ist diese Differenzierung häufig schwerer als für junge. Gerade Baby-Boomer neigen dazu, alle jungen Menschen in eine Schublade zu legen, anstatt zwischen den jungen Generationen zu unterscheiden.
Wie gelingt diese Unterscheidung? Schließlich steht die Generationenzugehörigkeit nicht auf dem Hemdkragen.
Das ist richtig. Aber wenn ich den Leuten genau zuhöre und weiß, worauf ich achten muss, bekomme ich schnell Hinweise auf das Denkmuster. Man kann ja mal fragen: Was ist dir gerade wichtig? Der Y-Typ sagt dann vielleicht, er erweitere gerade seinen beruflichen Horizont durch eine Fortbildung, die ihn auch persönlich weiterbringen soll. Der Z-Typ hingegen erzählt von seinem Tanzkurs oder seinem Urban-Gardening-Projekt.
Noch einmal: Wie reagiere ich darauf?
Ich muss verhandeln: „Die festen Arbeitszeiten, die du dir wünschst, sind okay – aber nur unter bestimmten Bedingungen.“ Vor allem muss ich sehr viel kleinteilig erklären. Einer der meist gehörten Sprüche lautet: „Das hat mir aber keiner gesagt.“ Sie glauben gar nicht, wie oft ich diesen Satz auch von Studenten höre und mit großen Augen angeschaut werde. (lacht)
Wie ändert sich dadurch die Feedback-Kultur?
Einem Z-Typ darf ich nicht ins Gesicht sagen, dass er etwas falsch gemacht hat. Das würde ihn völlig durcheinander bringen. Die Generation Z ist schon durch Facebook gewöhnt, dass es ein „Like“ gibt – aber kein „Not-Like“. Einen Vertreter der Generation Z entwickele ich stattdessen weiter, indem ich die nächste Aufgabe noch präziser erkläre und in kleinen Schritten vorgehe. Man könnte sagen: durch „Twitter“-Schritte. Vertreter der Generation Y dagegen wollen Karriere machen und wollen aus eigenen Stücken besser werden. Daher verlangen sie ausdrücklich nach der langfristigen Perspektive und nach einem ehrlichen Feedback. Führungskräfte müssen also beide Arten des Feedbacks beherrschen. Das ist kein Hexenwerk, aber auch das Unternehmen als ganzes muss in seiner Personalarbeit bereit sein, derartige Differenzierungen vorzunehmen. Daran scheitert es häufig, weil es unbequem ist, Unterschiede zu machen. Dann ist es einfacher zu sagen: „Irgendwie sind doch alle Generationen gleich.“
Bleibt die Frage: Was kommt nach der Generation Z?
Die meisten glauben an eine Art Generation Alpha, die wieder anders ticken wird. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Generation Z das letzte noch fehlende Puzzleteil der Generationenmatrix ist. Sie wird mit ihren Impulsen die anderen Generationen verändern – so, wie auch schon die Generation Y als die ersten Digital Natives die Älteren verändert hat. Die Grenzen zwischen den Generationen werden verwischen, sodass wir bald keine altersspezifischen Milieus mehr haben, sondern Gruppen, die von Denkmustern geprägt werden. Das traditionelle Generationenkonzept löst sich damit auf: Es gibt dann den 15 Jahre alten Baby-Boomer und den 60-jährigen Mitarbeiter Typ Z.
Generationen-Glossar
Generationen sind Schubladen, die dabei helfen, Eigenarten von Altersgenossen zu analysieren. Selbstverständlich überlappen sich die Generationen, auch trägt kein Mensch einen Stempel auf der Stirn. Dennoch: Wer als Führungskraft typische Denkmuster erkennen möchte, sollte die verschiedenen Generationen kennen – von denen die Generation Z die jüngste ist.
Baby-Boomer
Geboren zwischen 1955 und 1969, den in Deutschland geburtenstarken Jahrgängen. Die Generation der Baby-Boomer war in mancher Hinsicht idealistisch und wollte eine bessere Welt, sie agierte aber zunehmend opportunistisch und nutzte ihre Karrierechancen. Vertreter dieser Generation besetzen heute häufig noch das Top-Management; die ersten verabschieden sich in absehbarer Zeit in den Ruhestand.Generation X
Geboren Ende der 1960er bis Mitte der 1970er-Jahre. Anders als ihre Vorgängergeneration machte sie sich keine Illusionen über die Gesellschaft oder die eigene Zukunft. Visionen und Utopien spielten keine Rolle, es gab auch kaum eigene Aufstiegserwartungen.Generation Y
Geboren Ende der 1970er- bis Mitte der 1990er-Jahre. Die Generation besinnt sich auf Begriffe wie Sinn und Werte, strebt auch in der Arbeitswelt die persönliche Weiterentwicklung und Selbstentfaltung an. Geprägt wird sie durch die Chancen und Gefahren der Globalisierung und Digitalisierung.Generation Z
Geboren ab Ende der 1990er-Jahre. Die jüngste Generation erkennt, dass der Plan der Generation Y nicht aufgegangen ist. Sie trennt daher wieder klar zwischen Arbeits- und Privatleben, legt Wert auf Harmonie und bastelt am Lebensglück in er eigenen kleinen Welt.