StartDigitalGlobalisierung und Digitalisierung in der Wirtschaftsprüfung

Globalisierung und Digitalisierung in der Wirtschaftsprüfung

Jörg Hossenfelder ist Geschäftsführer von Lünendonk, einem Spezialisten für die Analyse des Marktes im Bereich Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung. Im Gespräch erklärt er, wie sich Globalisierung und Digitalisierung auf die Branche auswirken und warum Einsteiger erstens gefragt sind und zweitens schnell durchstarten können. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Jörg Hossenfelder, Foto: Lünendonk
Jörg Hossenfelder, Foto: Lünendonk

Jörg Hossenfelder ist studierter Kommunikationswissenschaftler und übernahm 2004 die Leitung der Research-Abteilung beim Analyse- und Beratungsunternehmen Lünendonk. Seit 2009 ist er dort geschäftsführender Gesellschafter und Ansprechpartner für Marktanalysen im Bereich der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung.

Herr Hossenfelder, wie beurteilen Sie aktuell den deutschen Markt der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften?
In Deutschland festigen sich vier Gruppen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Neben den global agierenden „Big Four“ PricewaterhouseCoopers, KPMG, EY und Deloitte agieren mittelgroße Gesellschaften – einige davon bundesweit, einige regional aktiv –, dazu Netzwerke und Allianzen sowie kleinere Unternehmen und Einzelkämpfer. Auffällig ist, dass sich die größeren Gesellschaften zunehmend breiter aufstellen. Unsere Analysen zeigen, dass sich die Dienstleistungs- Portfolios dieser Unternehmen vor allem in den Bereichen Steuer- und Rechtsberatung sowie im Corporate Finance und in der Managementberatung erweitern. In der Folge rekrutieren die Gesellschaften heute nicht nur Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch Mathematiker, Naturwissenschaftler, Juristen oder auch Ingenieure und Geisteswissenschaftler.

Die Mandanten agieren immer globaler. Wie muss die Branche darauf reagieren?
Während die „Big Four“-Gesellschaften bereits global aufgestellt sind, werden einige mittelständische und kleinere Unternehmen im internationalen Umfeld über ihre Zugehörigkeit in einem Netzwerk vertreten. Sofern deutsche Mandanten von ihren deutschen Prüfern und Beratern jedoch auch im Ausland betreut werden wollen, müssen sich diese Gesellschaften verstärkt entsprechend aufstellen.

Welche Auswirkung auf die Arbeit hat die Digitalisierung?
Die IT-Unterstützung bei der Jahresabschlussprüfung ist bereits jetzt wichtig und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Auch fragen die Mandanten Beratung im IT-Bereich nach. Daher ist es für die Gesellschaften äußerst relevant, sich hinsichtlich der Digitalisierung frühzeitig zu positionieren. Das gilt sowohl für die internen Prozesse als auch für die Unterstützung der Prüfungs- und Beratungsarbeit beim Kunden. So bieten die Gesellschaften neue Services rund um die Themenfelder IT-Prüfung und Sicherheit.

Der Markt der Wirtschaftsprüfung ist in vielen Bereichen standardisiert. Was müssen die Gesellschaften bieten, um sich dennoch von der Konkurrenz abzugrenzen?
Der Wirtschaftsprüfungs-Markt ist von der Struktur sehr heterogen. Während sich die großen Unternehmen hinsichtlich ihrer Produktpalette kaum unterscheiden, versuchen andere, sich durch eine Expertise in bestimmten Branchen oder Dienstleistungen abzugrenzen. Eine der größten Herausforderungen des Marktes ist der enorme Fachkräftemangel. Auf der einen Seite müssen die Arbeitgeber nicht nur gegen Mitbewerber im Bereich der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestehen, sondern auch gegen Unternehmen aus anderen Branchen wie Steuer-, Rechts- oder Managementberatungen. Zudem stehen die kleinen und mittelständischen Gesellschaften vor der Herausforderung, aus dem Schatten der großen und bekannten Konkurrenz herauszutreten. Auch die Bewerber von heute haben sich verändert. Neben den harten Fakten spielen bei der Wahl des Arbeitgebers auch weiche Faktoren wie Entwicklungschancen, Einsatzgebiete, Unternehmensstrukturen, Teamgrößen oder flexible Arbeitszeitmodelle eine wichtige Rolle.

Wenn der Nachwuchs so begehrt ist, darf er dann auch darauf hoffen, in den Gesellschaften schnell spannende Projekte zu bearbeiten?
Grundsätzlich stehen Absolventen vor der Aufgabe, den theoretischen Wissensschatz ins Praktische umzusetzen und die Arbeitsabläufe kennenzulernen. Das bedeutet aber nicht, dass Absolventen sich hinten anstellen müssen, denn auch im Segment der Wirtschaftsprüfung gibt es Bereiche, in denen die Devise „learning by doing“ gilt. Die Zeit der Einarbeitung ist aber häufig schnell vorbei, denn Mentoren und Partner unterstützen vielerorts die Nachwuchskräfte von Beginn an, um frühzeitig das vorhandene Potenzial aufzudecken und Absolventen auf ihrem Weg zum Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu fördern. Daher spielt bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung in der Regel eine bedeutende Rolle.

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