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Interview mit Matthias Willenbacher

Matthias Willenbacher, Vorstand des Projektentwicklers für erneuerbare Energien Juwi, verspätet sich ein wenig: Ein Vorstellungsgespräch hat länger gedauert als gedacht, der Bewerber erwies sich als sehr interessant. Was man mitbringen muss, um Willenbacher von sich zu überzeugen, und was das Leitmotiv seines schnell wachsenden Unternehmens ist, erzählt der Pionier der erneuerbaren Energien im Interview. Die Fragen stellte André Boße.

Zur Person

Matthias Willenbacher, 41 Jahre, studierte in Mainz Physik sowie Sport und Mathematik auf Lehramt. Nach seinem Diplom in Physik bereitete er seine Dissertation vor, die ihn erstens recht bald langweilte und zweitens von einer neuen Leidenschaft verdrängt wurde: Nach einem Kreuzbandriss ans Bett gefesselt, las er sich durch diverse Zeitungen und fand einen Bericht über die Installation von Windrädern in der Eifel. Ihn begeisterte die Idee, mit Wind Strom zu erzeugen, und er beschloss, auf dem heimischen und windigen Schneebergerhof (Donnersbergkreis) ein eigenes Windrad zu installieren. Kostenpunkt: eine Million D-Mark.

Schnell fand er Investoren – und traf außerdem den Agrarökonomen Fred Jung, mit dem er kurz darauf das Unternehmen Juwi gründete. 2007 starteten Willenbacher und Jung die Kampagne „100 % erneuerbar“, die schließlich in eine eigenständige Stiftung überführt wurde; 2010 förderte er die Öko-Dokumentation „Die 4. Revolution – Energy Autonomy“ und war einer der Protagonisten des Films.

Herr Willenbacher, Ihr Unternehmen wächst und benötigt gute Mitarbeiter. Wie kommen Sie an die Leute heran?
Ich bin kein großer Freund des klassischen Headhuntings. Ich finde es wesentlich angenehmer, wenn Menschen von sich aus gezielt auf uns zukommen und sagen: „Hey, das Feld der erneuerbaren Energien und die Firmenphilosophie gefallen mir – dieses Jobangebot interessiert mich wirklich.“

Suchen Sie Leute mit missionarischen Qualitäten?
Der Begriff „missionarisch“ trifft es nicht. Unsere Mitarbeiter sollen die Leute nicht „missionieren“ oder überreden – sie sollen sie überzeugen. Wir als Unternehmen sind überzeugt, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien für Mensch und Erde lebenserhaltend ist. Und ich denke, dass wir es schaffen, viele unserer Mitarbeiter für unsere Überzeugung zu begeistern, damit sie sich erstens stärker mit dem Thema identifizieren und zweitens ihrerseits Überzeugungsarbeit leisten können.

Wie gelingt Ihnen das konkret?
Unter anderem mit der Juwi-Akademie, die jeder, der neu bei uns anfängt, in der Probezeit durchlaufen muss. Dort vermitteln wir nicht nur Inhalte, die unsere Mitarbeiter im Geschäft besser machen. Wir bringen ihnen auch die Unternehmensphilosophie näher und geben ihnen Fakten und Argumente für die Energiewende und für unser Leitmotiv „100 Prozent Erneuerbare Energien“ an die Hand.

Womit kann ein Einsteiger bei Ihnen im Vorstellungsgespräch punkten?
Uns liegt schon etwas daran, möglichst Mitarbeiter zu bekommen, die sich schon im Vorfeld ihrer Bewerbung mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Damit meine ich nicht, dass jemand im Gespräch Auswendiggelerntes über die erneuerbaren Energien aufzählt. Besser ist ein Bewerber, der vielleicht schon ein wenig Geld in eine Windkraftanlage investiert hat oder selber ein Solarpanel auf seinem Haus hat.

Wobei Hochschulabsolventen selten eigene Häuser besitzen …
Aber junge Menschen können sich in einer der vielen Gruppen engagieren, die es zu dem Thema gibt. Wer sich glaubwürdig für Umweltschutz einsetzt, zeigt damit, dass er von dem Thema überzeugt ist – und das freut uns als potenziellen Arbeitgeber natürlich.

Sie sind seit 1996 auf dem Feld der erneuerbaren Energien tätig und mussten gegen viele Widerstände und Vorurteile ankämpfen. Ihr Tipp für Einsteiger, wie man sich immer wieder neu motiviert?
Indem man mit Spaß bei der Sache ist. Ich sehe das, was ich mache, nicht als meinen Beruf, sondern als meine Berufung. Fred Jung und ich haben damals Juwi zu zweit gegründet, jetzt hat das Unternehmen 1200 Mitarbeiter. Wir sind gewachsen und haben dadurch eine größere Stimme. Man hört uns zu, man nimmt uns wahr. Unser erstes Windrad auf dem Bauernhof regte die Menschen in der direkten Nachbarschaft an, über Energiegewinnung nachzudenken. Heute Abend fliege ich nach Griechenland, wo ich einen Vortrag vor 150 Investoren zum Thema „100 Prozent Erneuerbare Energien“ halte. Ich habe also die Gelegenheit, nicht nur regional, sondern auch international Multiplikatoren für unsere Idee zu gewinnen – und das motiviert natürlich.

Sie sprechen von Berufung und Leitmotiv – treffen Einsteiger bei Juwi auf ein Unternehmen, bei dem das Streben nach Umsatz weniger wichtig ist?
Der Ausgangspunkt war die klar formulierte Idee: Wir wollten zeigen, dass genügend Strom aus erneuerbaren Energien produziert werden kann. Aber selbstverständlich müssen wir am Ende des Jahres mehr Geld eingenommen als ausgegeben haben. Und natürlich bekommen unsere Mitarbeiter für ihre Leistung einen entsprechenden Gegenwert. Wir bieten aber darüber hinaus deutlich mehr. Juwi steht für die Energiewende, die wir möglichst schnell erreichen möchten. Für eine sozial gerechtere und saubere Energieversorgung. Wir nehmen unsere soziale Verantwortung ernst – übrigens nicht nur für Deutschland, denn je schneller wir alternative Energieformen entwickeln, desto schneller können unterentwickelte Staaten in Zukunft überhaupt noch die nötige Energie beziehen, um den nächsten Schritt zu machen.

Gibt es in Ihrem Unternehmen Positionen, für die es besonders schwer ist, die richtigen Leute zu finden?
Es nicht ganz einfach, gute Projektmanager aufzuspüren. Diese sind bei uns verantwortlich für die gesamte Entwicklung und Abwicklung eines Projekts. Das beginnt mit der Akquise, wenn entschieden werden muss, mit welchen Grundstückseigentümern zu sprechen ist, und betrifft dann die Planung und das Layout des Windparks, die notwendigen Genehmigungsverfahren sowie die Finanzierung und schließlich die Realisierung und Inbetriebnahme. Der Projektmanager leitet in der vollen Verantwortung das Projektteam, in dem die verschiedenen Unternehmungen zusammengebracht werden müssen.

Was muss ein idealer Projektmanager in Ihren Augen mitbringen?
Gefragt sind Unternehmertypen und Generalisten. Gesunder Menschenverstand ist genauso wichtig wie die Fähigkeit, zu jeder Zeit nach links und rechts zu schauen und die richtigen Fragen zu stellen. Einfaches Beispiel: Nach dem Layout eines Windparks errechnen die Ingenieure einen bestimmten Ertrag. Der Projektmanager muss dann in der Lage sein, diese Prognose zu beurteilen. Er muss durch konsequentes Nachhalten und Nachfragen mögliche Fehler erkennen – und Leute, die das können, findet man nicht so häufig. Eher die Regel sind Spezialisten, die ihren Part sehr gut machen, aber Dinge die links und rechts von ihrem Spezialgebiet passieren, nicht hinterfragen. Und wir hatten auch schon Projektmanager, die diesen Spezialisten blind vertraut haben. Was wir jedoch brauchen, sind Leute, die ein Gefühl dafür entwickeln können, ob etwas richtig oder falsch läuft.

Fachwissen ist also nicht alles.
Nein. Nehmen Sie die Genehmigungen: Oft bekommen Sie diese nicht, weil Sie besonders viel wissen, sondern weil es Ihnen gelungen ist, dass der Bürgermeister, die politischen Gremien, aber auch die Bürger hinter dem Projekt stehen. Das sind mitunter die schwierigsten Jobs. Sie sind viel komplexer als die komplizierteste Technik. Aber wenn man gut ist, dann machen sie sehr viel Spaß.

Zum Unternehmen

Die Juwi-Gruppe mit Sitz in Wörrstadt bei Mainz ist ein Projektentwickler von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbarer Energie. Das Unternehmen wurde 1996 von Matthias Willenbacher und Fred Jung gegründet, die heute das Unternehmen gemeinsam mit Jochen Magerfleisch als Vorstände führen. Von einem Zwei-Mann-Büro entwickelte sich Juwi zu einer weltweit agierenden und wachsenden Unternehmensgruppe mit derzeit rund 1200 Mitarbeitern und 800 Millionen Euro Jahresumsatz.

Das Unternehmen entwickelt Solarstrom-, Windenergie- und Bioenergie-Anlagen sowie Wasserkraft- und Geothermie-Projekte. Ein aktueller Schwerpunkt ist die direkte Kundenansprache, um Privatinvestoren für Erneuerbare-Energie-Anlagen zu gewinnen. Ziel des Unternehmens ist es dabei, den Energiemarkt zu regionalisieren und ihn dezentral zu gestalten.

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