Haltestellen werden von der Oberfläche in den Untergrund verlegt, Tunnelröhren gebohrt und Rampen, die Ober- mit Untergeschossen verbinden, geschaffen sowie ein unterirdisches Gleisdreieck gebaut: In Karlsruhe befindet sich das Projekt „Kombilösung“ gerade in der Umsetzung. Von Christoph Berger
In der Kombilösung von Karlsruhe werden zwei Einzelprojekte zu einem zusammengefasst – daher der Projektname. Im ersten Teilprojekt sollen von 2018 an zwei Stadtbahntunnel für Straßenbahnen die in der Innenstadt gelegene Kaiserstraße entlasten – eine Einkaufsmeile, auf der bisher auch Straßenbahnen fuhren. Im Süden der Innenstadt sollen zudem moderne, sichere und komfortable U-Bahnhaltestellen entstehen. Im zweiten Projekt soll auf einer anderen Straße, der Kriegsstraße, bis 2019 eine Straßenbahntrasse entstehen. Unter dieser wird ein Autotunnel mit Ein- und Ausfahrten für den City- und Anliegerverkehr gebohrt. Das Gesamtprojekt besteht aus diversen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen. Ziel der Kombilösung ist es, das Infrastrukturnetz leistungsfähiger zu machen – denn seit 1985 ist allein die Zahl der Nutzer des Karlsruher Verkehrsverbunds von 55 Millionen Menschen auf 178 Millionen im Jahr 2012 gestiegen. Das vorhandene Netz stieß an den Rand seiner Kapazitäten. Für die Kombilösung wurde Ende 2008 das Baurecht erteilt, Anfang 2010 fand der Spatenstich statt. Direkt anschließend wurden vorbereitende Maßnahmen für den Bau der unterirdischen Haltestelle am Europaplatz durchgeführt.
Um das Projekt umzusetzen, wird ein 2,4 Kilometer langer Stadtbahntunnel mit einem ein Kilometer langen Abzweig gebohrt. Sieben Haltestellen werden dabei integriert. Für diese werden tiefe Baugruben benötigt – alle im städtischen Umfeld. Gebaut werden sie nach der sogenannten Deckelbauweise. Bei dieser Methode werden der Straßenbahn- und Anlieferverkehr sowie die Fußgängerpassagen zunächst auf eine Seite der Kaiserstraße verlegt. Auf der anderen, der gesperrten Seite, werden circa 20 Meter tiefe Schlitze ausgehoben beziehungsweise Bohrpfähle gebohrt. In diese werden Bewehrungskörbe eingebaut, die anschließend ausbetoniert werden. Die so hergestellten Wände dienen als Baugrubensicherung für die unterirdischen Stationen. Anschließend wird die Straße bis zu einer Tiefe von etwa vier Metern halbseitig geöffnet und ein Betondeckel gegossen, der auf den Bohrpfahlwänden ruht: die Decke der künftigen Haltestellen. Der Verkehr kann nun auf den Deckel umgelegt werden. Dann erfolgt die gleiche Prozedur auf der anderen Seite. Nach Fertigstellung der Betondeckel kann der Verkehr an der Oberfläche wie gewohnt weiterfließen, während die restlichen Bauarbeiten unterirdisch weitergeführt werden.
Bauen im Innenstadtbereich
Der neue Stadtbahntunnel befindet sich direkt unter der Shoppingmeile. Er wird künftig vier U-Bahnhaltestellen miteinander verbinden. Auch hier soll der Bau das Innenstadtleben so wenig wie möglich belasten – die Bauzeit soll möglichst kurz gehalten werden. Deshalb kommt beim Tunnelbau das Schildvortriebverfahren zum Zug. Dabei gräbt sich die Tunnelbohrmaschine – an der Oberfläche unbemerkt – unter der Stadt durch. Die Stadt- und Straßenbahnen fahren oben ganz normal weiter, die Fußgänger können trotz unterirdischer Bauarbeiten die Geschäfte in der Kaiserstraße weiter besuchen. Die Schildmaschine, die den neuen Stadtbahntunnel gräbt, ist über 70 Meter lang und weit über 100 Tonnen schwer, der Bohrkopf hat einen Durchmesser von über neun Metern. An einem Tag legt die gigantische Maschine circa zehn Meter zurück und hinterlässt eine mit Betonringen fertig ausgekleidete Tunnelröhre.
Der zweite Tunnel, der Südabzweig, erschließt drei weitere U-Bahnhaltestellen für den Citytunnel und bindet damit die südlichen Stadtteile besser an das Zentrum an. Aufgrund der Kürze der Strecke wird dieser im herkömmlichen bergmännischen Vortrieb mit Druckluftsicherung durchgeführt. Mit der Eröffnung des Stadtbahntunnels, die für 2016 geplant ist, wird sich das Bahnaufkommen in der Kaiserstraße bereits um 70 Prozent reduzieren. Der Straßentunnel unter der Kriegstraße sowie die dazugehörigen Rampenbauwerke werden in Abschnitten über die offene Bauweise erstellt. Die Fertigstellung der Kombilösung ist für 2019 geplant.
Insgesamt kommen bei den Arbeiten somit die unterschiedlichsten Bauverfahren zum Einsatz: Schildvortrieb, Deckelbauweise sowie die bergmännische und offene Bauweise. Das Projekt ist somit auch eine ganz besondere Herausforderung für Bauingenieure.
Daten und Fakten
Teilprojekt 1:
Stadtbahntunnel unter der Kaiserstraße mit Südabzweig Ettlinger StraßeGesamtlänge Ost-West: ca. 3200 m
Länge Stadtbahntunnel Kaiserstraße: ca. 2200 m (ca. 2600 m mit Rampen)
Gesamtlänge Nord-Süd: ca. 1300 m
Länge Stadtbahntunnel Südabzweig: ca 800 m (ca. 1100 m mit Rampen)
Unterirdische Haltestellen: 7
Breite des Tunnels: ca. 8,20 m
Länge schienenfreie Fußgängerzone: ca. 1000 m
Spezialtiefbauleistungen:
Verbauwände: ca. 82.000 m2
Dichtsohlen: ca. 39.000 m2
Aushub: ca. 660.000 m3
Fertigstellung: 2018Teilprojekt 2:
Stadtbahntrasse Kriegsstraße mit StraßentunnelLänge Straßentunnel: ca. 1400 m (ca. 1700 mit Rampen)
Länge Bahntrasse: ca. 1500 m
Oberirdische Haltestellen: 3Spezialtiefbauleistungen:
Verbauwände: ca. 62.000 m2
Dichtsohlen: ca. 39.000 m2
Aushub: ca. 300.000 m3
Fertigstellung: 2019Quelle: KASIG – Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft mbH