Das deutsche Bauunternehmen Züblin und das amerikanische Bauunternehmen Gilbane bewerben sich derzeit gemeinsam um den Neubau eines Krankenhauses in Ramstein. Um die Zusammenarbeit während der Angebotsbearbeitung und im Auftragsfall optimal zu gestalten, tauschten die beiden Unternehmen Mitarbeiter aus. Dabei lernten insgesamt fünf junge Bauingenieure mehr als nur die Organisation und Arbeitsweise des Kooperationspartners kennen. Von Christoph Berger
Als Nikolas Früh im April 2013 in Boston ankam, wurde er bereits nach kurzer Zeit aktiv in Bauprojekte des US-Unternehmens Gilbane eingebunden. Nikolas Früh ist in Deutschland bei Züblin in der Zentralen Technik für die Modellerstellungskoordination und die Weiterentwicklung der modellbasierten Arbeitsweise mitverantwortlich. Dabei geht es vor allem um den Einsatz von Building Information Modeling (BIM): Mit seinen Kollegen entwickelt der 27-Jährige die 5-D-Arbeitsweise für Bauprojekte. Dass die Amerikaner die gleichen Softwarewerkzeuge und ähnliche Herangehensweisen an BIM-Projekte haben wie die Deutschen, erleichterte Früh den dortigen Einstieg. „Nikolas arbeitete direkt sehr gut bei uns mit“, bestätigt John Myers von Gilbane. Gegenseitig zeigten sie sich in den ersten Tagen in Trainings ihre jeweiligen Arbeitsprozesse. Das klappte so gut, dass die Vorgesetzten entschieden, Myers im Januar dieses Jahres nach Stuttgart reisen zu lassen – man wollte das gut funktionierende Team nicht trennen.
Nikolas Früh hatte am Institut für Technologie in Karlsruhe (KIT) Bauingenieurwesen studiert und stieg kurz nach seinem Abschluss bei Züblin als Projektingenieur ein. Der 26-jährige Myers hat einen Master of Architecture von der University of Kansas. Er begann im Februar 2012 als Virtual Design and Construction Engineer bei Gilbane. Hinzu kam Simon Jagenow – er arbeitet in der Direktion Stuttgart, einer operativen Einheit von Züblin, und kam bereits während seiner Bachelorthesis 2012 als Praktikant zu dem deutschen Baukonzern. Damals arbeitete er an dem Leitprojekt „Mefisto“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Forschungsprogramm „IKT 2020 – Softwaresysteme und Wissenstechnologien“ mit. In diesem Projekt forschten zwölf Partner aus Wissenschaft und Industrie an neuen Lösungen für das IT-gestützte Planen und Bauen. Heute arbeitet Jagenow an der Einführung der BIM-Methodik im Züblin-Konzern mit und ist ebenfalls mitverantwortlich für die modellbasierte Planung. Er war von April bis Juni dieses Jahres in Phoenix, Boston und San Francisco.
Die beiden Deutschen erhielten in den jeweils drei Monaten Einblicke in die modellbasierte Ausführungsplanung für verschiedene Projekte – vor allem in die integrierte Projektabwicklung. Dabei geht es um die Anwendung von Managementmethoden in Kombination mit digitalen Technologien. Sie lernten den Aufbau und die Organisation einer 5-D-, BIM- und VDC-Abteilung (Virtual Design and Construction) sowie die US-Projektformen kennen. Sie knüpften Kontakte zur Industrie und Baubranche, erlebten die Landes- und Arbeitskultur und verbesserten nicht zuletzt ihre Sprachkenntnisse. „Die sehr gute Integration in das Arbeits- und Sozialleben wurde sicher durch unser gleiches Alter begünstigt“, sind sich Früh und Jagenow sicher. Doch auch die gegenseitige Sympathie stimmte.
Allerdings stellten die beiden auch manche Unterschiede fest: „Während in den USA eher schneller gearbeitet wird, ist man in Deutschland langsamer, dafür aber etwas vertiefter“, sagt Früh. In Deutschland habe man eine sehr forschungsbasierte Herangehensweise an neue Technologien mit fokussierten Einstiegen in Teilproblematiken. In den USA integriere man neue Techniken im Vergleich dazu schnell ins Tagesgeschäft und entwickle sie nebenher laufend weiter. Diese Beobachtung machte auch der Amerikaner Myers: „Ich fand, dass die 5-D- und VDC-Teams sowohl strategisch als auch auf langfristige Ziele sehr gut ausgerichtet sind. Von der taktischen Seite scheinen die Amerikaner aber ein besseres Verständnis für die täglichen Anwendungen von Software und Workflows zu haben.” Durch die Kenntnis der jeweils anderen Mentalität dürfte zukünftig sicher die goldene Mitte gefunden werden.
Voll im Einklang sind sich die drei schon jetzt bei der Bewertung ihrer Zusammenarbeit: Früh, Jagenow und Myers sprechen von einem Erfolg, der über die reine Arbeitsatmosphäre längst hinausgewachsen ist und sich zu einer Freundschaft entwickelt hat. Sie verbrachten auch viel Freizeit miteinander und luden sich gegenseitig nach Hause ein. Der regelmäßige berufliche Austausch über den Besuch hinaus ist längst Normalität geworden. Schließlich sind alle drei auch Experten für virtuelle Realitäten mithilfe neuer Technologien – da spielt die räumliche Distanz nach dem Kennenlernen keine Rolle mehr.
Der Züblin-Gilbane-Mitarbeitertausch
Ziel:
Kennenlernen der jeweils anderen Organisation, Arbeitsweise und Art der Projektumsetzung sowie Entwicklung eines interkulturellen Verständnisses und Verbesserung der Sprachkenntnisse
Mögliche Anwendungen:
Großprojekte US-amerikanischer Bauherren mit deutsch-amerikanischer Zusammenarbeit
Projektlaufzeit:
Seit Oktober 2012