Sina Trinkwalder führt in Augsburg das Modeunternehmen Manomama. Ein erfolgreiches Unternehmen – aber auch ein ungewöhnliches: Die 37-Jährige stellt nur Mitarbeiter ein, die auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Die Kernwerte des Unternehmens sind Wertschätzung und Werthaltigkeit. Warum die Inhaberin findet, dass Arbeit Spaß machen sollte, und weshalb sie das Aufräumen der Küche für einen guten Test für Nachwuchstalente hält, erzählt sie im Interview. Die Fragen stellte André Boße.
Zur Person
Sina Trinkwalder, geboren am 28. Januar 1978 in Augsburg, arbeitete schon als Schülerin für die Zeitung Augsburger Allgemeine und gründete kurz nach dem Abitur ihre eigene Werbeagentur. Ihr Politik- und BWL-Studium in München brach sie ab. 2010 gründete sie die Textilfirma Manomama, in der sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen beschäftigt und ökosozial wirtschaftet. 2013 erschien ihr Buch „Wunder muss man selber machen. Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle“. Sina Trinkwalder ist ein gern gesehener Gast in politischen Talkshows, aber auch als engagierte Rednerin bei Kongressen und Unternehmensveranstaltungen.
Frau Trinkwalder, wie sehen Sie die Wirtschaft in einigen Jahren?
Die Zeit der traditionellen Wirtschaft läuft ab. Wir werden bald keine Hierarchien mehr haben. Was zählt, sind Kompetenzen. Wobei eine Kompetenz eine große Rolle spielen wird, die sehr vielen Managern abhandengekommen ist, nämlich die Empathie. Schließlich wird Spitzenkräften in den Unternehmen immer wieder eingetrichtert: Entscheidend ist, dass die Zahlen stimmen, die Menschen sind egal.
Hoffen Sie auf die Generation Y, der man ja nachsagt, auf andere Dinge Wert zu legen als auf die übliche Karriere?
Ich bin skeptisch, weil ich nicht sehe, dass diese Generation bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen werden dünne Bretter gebohrt, und es wird betont, wie wichtig die Freizeit ist. Schön und gut, aber darum geht es nicht, wenn man etwas erreichen möchte. Dann muss man doch darüber nachdenken, wie man am schnellsten Dinge verwirklichen kann.
Wie war das bei Ihnen?
Ich habe mit 13 angefangen, für die Zeitung zu schreiben. Nach dem Abitur führte mein erster Weg zum Amt, um mir den Gewerbeschein für meine Werbeagentur zu holen. Wenn die anderen in der Disko waren, habe ich Nachtschichten geschoben. Mir hat das Spaß gemacht. Die Generation Y sollte aufhören, die Arbeit als etwas Schlechtes zu sehen. Arbeit kann auch Spaß machen. Man muss sich nur die richtige aussuchen.
Was ist denn richtige Arbeit?
Eine, mit der ich etwas positiv bewege. Und zwar nicht für mich, sondern für andere. Es bringt ja nun nichts, Dinge doof zu finden, sich zu empören – aber nichts dafür zu tun, dass sich diese Dinge ändern. Wunder geschehen nicht. Wunder muss man selber machen.
Haben Sie Rückschläge erlebt?
Und ob, ich musste oft bluten. Vor allem zu Beginn meiner Unternehmerkarriere habe ich einige falsche Entscheidungen getroffen.
Und dann?
Aufstehen, Krone richten, weitergehen. Und eben nicht sagen: „So ein Mist, ich lasse es lieber.“ Nein! Jetzt erst recht – und zwar besser!
Was halten Sie davon, dass Ketten Erfolge feiern, die nicht viel mit den Begriffen Wertschätzung und Werthaltigkeit zu tun haben?
Ich schimpfe nicht über deren Kunden, weil ich von einer Konsumgeneration nicht erwarten darf, dass sie von heute auf morgen den sinnvollen Konsum für sich entdeckt und danach handelt. Auf der anderen Seite kaufen diejenigen, die sich als verantwortliche Konsumenten bezeichnen, ihre Klamotten nach irgendwelchen Nachhaltigkeitssiegeln, die nichts weiter als der kleinste gemeinsame Nenner der großen Industrie sind. Diese Siegel sollen das Gewissen beruhigen. Wer danach kauft, macht die Dinge aber nicht besser.
Wie macht man es denn besser?
Gehen Sie doch mal, bevor Sie einen Laden betreten, zu Ihrem Kleiderschrank und schauen Sie, ob Sie überhaupt etwas Neues brauchen.
Moment, müssen Sie als Handelsunternehmerin nicht dafür sorgen, dass die Leute denken, Sie bräuchten ständig etwas Neues?
Nein! Falsch! Es ist doch viel geiler, an 80 Millionen Deutsche eine Jeans zu verkaufen, die zehn Jahre hält, als an 100.000 Deutsche eine Jeans, bei der nach acht Wochen die Nähte kaputt gehen. Mit unseren Jeans schonen wir Ressourcen, verkaufen unsere Kunden nicht für dumm und sorgen dafür, dass die Mitarbeiter gerne Jeans nähen, weil sie eben keinen Mist herstellen. So einfach ist das.
Warum setzt es sich nicht durch, wenn es so einfach ist?
Weil alles, was einfach ist, nicht sein darf. Denn wohin dann mit den vielen Managern, Verwaltern und Beratern? Die müssten dann auch alle Jeans nähen. Wir haben 150 Mitarbeiter – aber nur eine halbe Stelle in der Verwaltung. Andere Mittelständler lachen darüber, aber uns reicht es. Und wir haben Erfolg: Wir schreiben schwarze Zahlen und sind als Unternehmen in den vergangenen drei Jahren zu einem Mittelständler gewachsen, finanziert mit 100 Prozent Eigenkapital und mit Mitarbeitern, die sonst keiner mehr haben wollte. Geht nicht? Geht doch!
Angenommen ein Absolvent, der in den Handel einsteigen möchte, hat einen freien Tag vor sich. Wie kann er diesen mit Blick auf seine Laufbahn sinnvoll nutzen?
Er sollte die Küche aufräumen. Alles Geschirr und Besteck raus aus den Regalen und neu ordnen. Dann sollte er seine Mutter anrufen und ihr sagen: Decke bitte mal den Tisch. Wenn dann die Mutter intuitiv alles findet, weil die Teller, Tassen, Untertassen und Kuchengabeln sinnvoll strukturiert angeordnet sind, dann ist dieser junge Mensch im Handel gut aufgehoben. Kommt die Mutter im Chaos nicht zurecht, sollte er sich einen neuen Tag frei nehmen – und es noch einmal probieren.
Buchtipp
Sina Trinkwalder:
Wunder muss man selber machen. Wie ich die Wirtschaft auf den Kopf stelle.
Droemer 2013.
ISBN 978-3426276150.
14,99 Euro