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Vom Banker zum Sozialpädagogen

Alexander Hartmann war erfolgreicher Banker. Heute arbeitet er als Sozialpädagoge und ist Teamleiter einer Jugendwohngruppe in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Nach 20 Jahren in der Finanzbranche konnte Alexander Hartmann sich mit den Zielen seiner Arbeit nicht mehr identifizieren. Er wählte einen radikalen, aber notwendigen Schritt und fand zurück zu einem positiven Lebensgefühl. Von Anna Beutel

Zur Person

Alexander Hartmann machte eine der klassischen Bankkarrieren der 90er-Jahre: Nach einem Praktikum bei einer Schweizer Großbank und einem berufsbegleitendem Studium der Betriebswirtschaft erklomm der heute 47-Jährige die Karriereleiter – erst als Credit Risk Officer, später als Compliance Officer und Leiter der Abteilung Compliance Private Banking. Bis 2010 war er Chief Compliance Officer mit Verantwortung für sämtliche Compliance-Aktivitäten in der Sarasin Gruppe. Mit 43 Jahren begann Hartmann von vorn: Er wurde Sozialpädagoge und Sozialarbeiter.

20 Jahre arbeitete Alexander Hartmann in der Finanzbranche. Ein Beruf, der ihn anfangs durchaus erfüllte. „Ich habe das damit verbundene hohe gesellschaftliche Ansehen, die Bewunderung von Kolleginnen und Kollegen, die vielen internationalen Kontakte und Reisen genossen“, erinnert er sich. Doch schon damals hat ihn das Arbeitstempo stark gefordert. Die ersten Erschöpfungszustände nahm er jedoch erst ernst, als ihm auffiel, wie sich auch sein Wesen veränderte. Heute beschreibt er es so: „Ich wurde härter, teilweise abgestumpft. Ich verlor meine Sensibilität, meine weichen Seiten, die mich als Menschen ausmachen.“ Wichtig waren ihm vielmehr kommerzielle Dinge, wie ein schönes Auto oder teure Ferienreisen. Genießen konnte er diese Dinge aber nicht – dazu hatte er zu wenig Zeit und nicht die nötige Ruhe.

Im Jahr 2006 kam es zu einem Wechsel im Top-Management seines damaligen Arbeitgebers. Es galten auf einmal andere Werte, Profitmaximierung um jeden Preis stand plötzlich im Vordergrund. Es zählte nicht mehr der Mensch, sondern Mitarbeiter hatten zu funktionieren. Für Hartmann kein tragbarer Zustand. Schließlich wagte er einen ersten Schritt in Richtung berufliche Neuorientierung und absolvierte ein berufsbegleitendes Masterstudium in angewandter Ethik an der Universität Zürich. Gut drei Jahre später, nach vielen Gesprächen mit Familie und Freunden, entschloss er sich, eine radikale Entscheidung in die Tat umzusetzen und ein einjähriges Praktikum im Bürgerlichen Waisenhaus Basel zu leisten.

Sich für andere Menschen einzusetzen, ihnen Gehör zu verschaffen und ihnen dabei zu helfen, die eigene Lebenslage nachhaltig verbessern zu können, war ihm schon immer ein großes Anliegen. Heute studiert der ehemalige Banker im letzten Jahr an der Fachhochschule Nordwestschweiz Soziale Arbeit und Sozialpädagogik. Parallel zum Studium arbeitete Alexander Hartmann ein Jahr als angehender Sozialarbeiter in einer psychiatrischen Universitätsklinik in Basel mit suchtkranken Menschen, im Sommer 2014 übernahm er die Teamleitung einer Jugendwohngruppe in der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Eine Jugendwohngruppe beherbergt 13 bis 18 Jahre alte Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr bei den Eltern wohnen können.

Die intensive Auseinandersetzung mit Menschen, die Hilfestellung im Leben benötigen, ist für den 47-Jährigen der wesentliche Unterschied zur Arbeit in der Finanzindustrie. Ein Sozialpädagoge muss Beziehungen eingehen, sich auf den anderen einlassen, ihn begleiten und fördern, damit er die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben erhält. Das ist es, was Alexander Hartmann erfüllt, was ihn den Sinn seines beruflichen Wirkens wiederfinden ließ. „Ich stehe heute auf und freue mich auf meine Arbeit. Und ich fahre mit dem Fahrrad und ohne Krawatte und Anzug zur Arbeit“, fügt er lachend hinzu.

Doch nicht nur in dieser Hinsicht trug der berufliche Wechsel zu einem positiven Lebensgefühl bei. Er ist dem goldenen Hamsterrad entkommen, in dem er sich gefangen fühlte, und hat nun wieder Freude an den kleinen Dingen und vor allem Zeit mit der Familie. Er kann heute mitgestalten und mit Menschen zusammenarbeiten, die achtsam durch das Leben gehen und Rücksicht auf Schwächere nehmen.

Die Erfahrung lehrte ihn, das eigene Leben und nötige Veränderungen beherzt in Angriff zu nehmen. Statt auf den Kopf, rät er, sollten alle viel mehr auf den Bauch hören. Berufseinsteiger sowie Menschen, die sich neu orientieren möchten, sollten einen Beruf wählen, der sie glücklich macht – auch wenn sie dadurch weniger Geld verdienen. Denn viel Geld sei definitiv kein Faktor, der dazu beitrage, glücklich zu werden, findet der Sozialpädagoge: „Glücklich machen uns andere Dinge, wie die Freude am Beruf, Zeit mit Menschen, die wir lieben, und Zeit für alles, was uns Freude bereitet.“

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