Mehr als M&A-Prozesse

Die Tätigkeit als Steuerrechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei ist viel mehr als nur die Begleitung von M&A-Prozessen. Mit jedem Tag werden die Aufgaben spannender und bleiben eine Herausforderung. Von Rechtsanwältin Teresa Werner, Associate bei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf

„Erstellen Sie doch mal ein Memo zur Besteuerung der Überlassung eines betrieblichen Pkw an einen externen Unternehmensberater“, lautete die erste Aufgabe für mich als Berufsstarterin bei Beiten Burkhardt. „Klar, mache ich!“, denke ich. „Da gibt es doch die Ein-Prozent-Regel!“ Stolz über mein steuerrechtliches Wissen mache ich mich ans Werk. Ich hatte schließlich im Rahmen meiner Ausbildung in Bayern die Grundzüge der Abgabenordnung und des Einkommensteuerrechts erlernt.

Aber da waren sie, die Fragen: Welche Art von Einkünften erzielt ein externer Unternehmensberater überhaupt? Gilt die Ein-Prozent-Regel auch für selbstständig und gewerblich Tätige? Ist das Unternehmen Eigentümer des Pkw, oder hat es diesen geleast? Da war doch mal was mit wirtschaftlichem Eigentum … § 39 der Abgabenordnung … „Wenn Sie Fragen zum Sachverhalt haben, müssen Sie den Mandanten kontaktieren und ihn danach fragen“, erklärt mein Vorgesetzter. Na gut! Ich formuliere meine E-Mail, in der ich mich als neues Mitglied des Teams vorstelle und meine Fragen stelle. Prompt bekomme ich eine nette Antwort und weiter geht es. Insgesamt beschäftigte mich diese Sache unter Erweiterungen der anzustellenden Überlegungen auf die für den Mandanten günstigste Variante drei volle Wochen.

Mittlerweile bleibt mir nicht mehr so viel Zeit, um mich mit einer derart banalen Sache über Wochen zu beschäftigen. Die Anforderungen sind gestiegen. Zugleich sind aber auch die Rechtsfragen spannender geworden. Was geblieben ist: Die Aufgaben sind eine Herausforderung. Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer möchte eine Pensionszusage von der zusagenden Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft übertragen, und dabei sollen selbstverständlich so wenig Steuern wie möglich anfallen. Das heißt für mich, ein Angebotsschreiben für den Mandanten erstellen, Überlegungen über mögliche Durchführungswege anstellen, eine Machbarkeitsstudie über das geplante Vorgehen verfassen und schließlich die entsprechenden Verträge gestalten. Dabei profitiere ich ungemein von der Erfahrung meiner Kollegen, welche die eine oder andere Transaktion bereits des Öfteren durchgeführt haben und mich bei meinen Überlegungen in die richtigen Bahnen lenken.

Nicht fehlen darf natürlich der Mandantenkontakt. Es wäre doch zu eintönig, das Büro nur dann zu verlassen, wenn das Mittagessen mit den Kollegen ansteht. Heute geht es zu einem Mandanten, bei dem gerade eine Betriebsprüfung durchgeführt wird. Die Prüfung läuft schon ein paar Jahre, und ich steige kurz vor Abschluss in die Sache ein. Der Betriebsprüfer ist uns nicht ganz wohlgesonnen und möchte in seinem Betriebsprüfungsbericht nicht unserer Rechtsauffassung folgen, sodass wir angehalten sind, diese im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens durchzusetzen.

Und schon habe ich wieder eine spannende Aufgabe. Ein Umsatzsteuerthema: Wann unterliegen eigentlich die Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts der Umsatzsteuer? Meine erste Berührung mit der Umsatzsteuer war das Reihengeschäft. Da ist bei unserem Mandaten einiges schiefgelaufen, sodass eine Nacherklärung von steuerrelevanten Sachverhalten angezeigt war. Ich unterstützte meine Kollegen bei der Erstellung der Schreiben an das Finanzamt und nahm an den Abstimmungen mit der Mandantschaft und einem Kreis von Anwälten teil. Die letzte telefonische Abstimmung, bevor für unseren Mandanten der Gang zum Finanzamt anstand, fand in dem Konferenzraum statt, in dem ich das erste meiner zwei Vorstellungsgespräche bei meinem Arbeitgeber in Düsseldorf hatte.

„Wie kommen Sie denn zum Steuerrecht?“, war die Frage einer meiner Gesprächspartner. „Ich hatte als Studienschwerpunkt Wirtschaft und Steuern, fand das sehr interessant und habe mich deshalb im Rahmen meines Rechtsreferendariats für das Berufsfeld Steuerrecht entschieden“, war meine Antwort. Was ich nicht verraten hatte war, dass ich den Studienschwerpunkt tatsächlich nur deshalb gewählt hatte, weil mir alle anderen nicht zusagten und mich insbesondere der Teil „Wirtschaft“ interessierte. Dass mit dieser Wahl mein Weg zur Anwältin im Steuerrecht beginnen würde, hatte mir damals niemand verraten. Neben der Wahl des Steuerrechts als Schwerpunkt meines Studiums und meines Rechtsreferendariats absolvierte ich auch meine Anwalts- sowie meine Wahlstation in den Steuerrechtsdezernaten zweier renommierter Wirtschaftskanzleien.

Ob mir meine steuerrechtliche „Vorbildung“ im Rahmen des Bewerbungsund Einstellungsverfahrens zugutekam, lässt sich schwer sagen. Das Steuerrecht stellt – neben den Rechtsgebieten, die in der Ausbildung zum Rechtsassessor gelehrt werden – ein weiteres Rechtsgebiet mit eigenen Rechtsgrundsätzen dar. Die Arbeit mit Fiktionen, um einen bestimmten Sachverhalt der Besteuerung unterwerfen zu können, oder die Eigenart der Finanzverwaltung, mittels Nichtanwendungserlass ein Urteil des Bundesfinanzhofes über den entschiedenen Einzelfall hinaus für nicht anwendbar zu erklären, macht das Steuerrecht hinsichtlich des Systemverständnisses und der Anwendung in der Praxis zu keiner einfachen Materie.

Mein Start als Associate bei Beiten Burkhardt ähnelt daher dem Beginn einer weiteren Ausbildung, nämlich der zur Rechtsanwältin für Steuerrechtsberatung. Wirklich abgeschlossen wird diese wohl nie sein. Ganz im Sinne des Politikers Philip Rosenthal – „Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein“ – bereite ich mich gerade auf meine Steuerberaterprüfung vor. Bei meiner Einstellung waren sich meine Vorgesetzten meiner ausbaufähigen steuerrechtlichen Kenntnisse voll bewusst, und dementsprechend niedrig waren ihre an mich gestellten Anforderungen. Meine eingangs erwähnten steuerrechtlichen Kenntnisse, die ich im Rahmen meiner Referendarausbildung erlangt hatte, reichten bei Weitem noch nicht aus, um ohne Unterstützung anwaltlich arbeiten zu können. Aber sie reichten aus, um meinem zukünftigen Arbeitgeber mein Interesse am Steuerrecht deutlich zu machen.

Entscheidend für meine Aufnahme in das Steuerrechtsteam meines Arbeitgebers in Düsseldorf war nämlich nicht eine langjährige Berufserfahrung im steuerrechtlichen Bereich, sondern vielmehr, dass ich in der Lage bin, die Materie Steuerrecht zu erfassen. Hierfür kann es nicht schaden, wenn man sich mit den Grundzügen des Steuerrechts bereits beschäftigt hat. Was es für einen Berufsstarter aber vor allem braucht, ist Interesse, Lernbereitschaft und das Streben nach persönlicher Weiterentwicklung. Bekommt man dann auch noch die Unterstützung durch bereits erfahrene Anwälte, steht einem persönlichen und beruflichen Fortkommen nichts mehr im Wege. Eine „Win-win-Situation“ würde ich das nennen.

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