Konsum quo vadis

Dem Kapitalismus kommt der Konsum abhanden. Besitzen ist out. Teilen ist in. Diesen Blog-Beitrag teilt Stefan Trees

Ich habe kein Auto. Wenn ich eines benötige, leihe ich mir es bei meinem Carsharing-Anbieter. Das mache ich seit zwölf Jahren so. Offenbar bin ich damit ein Trendsetter der Shareconomy, denn das Autoteilen wird von den Erklärbären in den Medien als liebstes Beispiel für den gesellschaftlichen Trend des Teilens zitiert. Dabei ist das Teilen von Gütern und Produkten ein alter Hut, jahrzehntealte Geschäftsmodelle basieren auf dem Teilen und sind damit erfolgreich. Doch die Shareconomy bringt auch neue, zeitgemäße Ideen hervor: Beim Couchsurfing teilt man das Gästebett für die Nacht, beim Flincern das Auto mit Kollegen auf dem Weg zur Arbeit.

Fernsehtipp

ARD, 14.08.2014, Beckmann: “Verzicht auf Konsum – ist weniger wirklich mehr?”

3sat, 08.09.2014: “Weniger ist mehr – Vom Trend, mit Nichts glücklich zu sein

Auch Fahrräder kann man teilen. Aber das ist nichts für mich. “Zu unflexibel” höre ich mich sagen und finde, ich klinge wie ein Autobesitzer, dem schon beim Gedanken an Carsharing Schweißperlen auf der Stirn stehen. Aber für Besucher, Touristen, Gelegenheitsradfahrer? Super Sache.

Mein Rad hat mir ein Hinterhof-Schrauber aus gebrauchten Teilen zusammengebaut zu einer Zeit, als das Wort Upcycling noch nicht erfunden war. Jahrelang habe ich damit meinen Nachwuchs im Kinderanhänger durch die Stadt kutschiert, manchmal auch den Wocheneinkauf oder Farbeimer vom Baumarkt. Jetzt geht das Rad aus dem Leim und ich stehe vor einer Gewissensfrage: Reparatur oder Neukauf?

Konsum ist, wenn die Wirtschaft lacht.

Die Auslagen der Fahrradläden sind wirklich sehr verlockend. Und ich fühle, dass ich meine Entscheidung nicht ausschließlich sachlich begründet fällen werde. Allerdings gibt es da einen Vortrag des Hirnforschers Prof. Gerald Hüther. Der erklärt mir, wie das Glücksversprechen materiellen Wohlstands in unserer westlichen Kultur mein Konsumverhalten beeinflusst. Und wie Glücksgefühle durch Konsum stimuliert werden. Ich werde wohl meinen Schrauber zunächst mit einem Kostenvoranschlag betrauen.

Teilen ist ein probates Rezept gegen Konsum. Doch selbst hier setzt voraus, das es einen Besitz in Händen eines Besitzers gibt. Das StartupLeihbar aus Berlin hat eine andere Idee: In den Städten sollen vollautomatisierte Schränke mit verschiedensten Produkten stehen, die man sich gegen eine Gebühr für den Hausgebrauch ausleiht. Nützliche Dinge wie eine Bohrmaschine also, die man nur gelegentlich braucht. Der Clou: Strategische Partnerschaften mit Produktherstellern sollen garantieren, dass die Fächer mit neuesten Gebrauchsgegenständen gefüllt sind. Das Kaufen würde somit überflüssig.

Und wer weiß, was auf der Degrowth-Konferenz, die dieser Tag in Leipzig stattfindet, noch alles an neuen Ideen ausgeheckt wird und unsere Gesellschaft bereichert.

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