Das Interview führte Meike Nachtwey.
Zur Person
Anette Heiter, geboren 1965 in Stuttgart, studierte Jura in Tübingen, begann 1993 als Assessorin bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart und arbeitete bis zu ihrer Beurlaubung 2011 als Richterin an Amts- und Landgerichten. Seit 1983 ist sie Mitglied beim Stuttgarter Juristenkabarett, seit 1986 Mitglied der Gesangsgruppe „Honey Pie“. 2013 veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Der Name der Robe“.
www.anette-heiter.de
Warum haben Sie Jura studiert?
Weil mich ein befreundeter Rechtsanwalt in eine hochspannende Strafverhandlung mitnahm, die ein grandioser Richter geleitet hat. Danach war mein Berufswunsch klar: Ich wollte Richterin werden. Derselbe Rechtsanwalt hat mich zur gleichen Zeit zum Stuttgarter Juristenkabarett geholt – für die Mitwirkung war es aber notwendig, das Jurastudium auch durchzuhalten. Also habe ich es durchgestanden, auch über Durststrecken hinweg, und als „Belohnung“ gab es Kabarett.
Was hat Ihnen an Ihrer Richterinnentätigkeit besonders gut gefallen?
Die Unabhängigkeit. Man hat keinen Chef, der einem sagt, was man zu tun hat, und ist nur dem Gesetz und seinem eigenen Gewissen verpflichtet. Außerdem kommt man mit so vielen unterschiedlichen Lebensbereichen und Menschen in Berührung, dass es nie langweilig wird.
Buchtipp
Anette Heiter: Der Name der Robe.
Piper 2013. ISBN 978-3492303590. 9,99 Euro
Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, sich als Richterin beurlauben zu lassen und als Kabarettistin, Sängerin und Autorin tätig zu sein?
Ich habe jahrelang alle Tätigkeiten parallel ausgeübt, habe mir mit Musik mein Studium finanziert, habe Kabarett gemacht, „nebenher“ noch drei Kinder bekommen. Irgendwann war ein Punkt erreicht, wo nicht mehr alles gleichzeitig ging und ich den Eindruck hatte, die Kinder kommen zu kurz. Also musste ich mir eingestehen, dass ich nicht „Superwoman“ bin und habe mich beurlauben lassen.
Was gefällt Ihnen an Ihren jetzigen Tätigkeiten am besten?
Dass ich meine kreative Ader voll ausleben kann. Das Auftreten habe ich schon immer genossen – das Lampenfieber am Anfang, am Ende den Applaus, aber auch die Begegnung mit immer neuen, interessanten Personen.
Welche Gemeinsamkeiten haben Ihre Berufe, und worin liegen die größten Unterschiede?
Gemeinsam ist den Berufen die Genauigkeit im Umgang mit den Begriffen und dass ich bei meinem Tun versuche, immer auch die Perspektive der jeweils anderen Seite einzunehmen, um von dieser verstanden zu werden: im Gerichtssaal die Perspektive der Rechtssuchenden, auf der Bühne oder beim Schreiben die des Publikums. Der größte Unterschied ist der Humor: Der ist in Urteilen eher deplatziert, während er sowohl in meinen Songtexten als auch in den Prosatexten allgegenwärtig ist. Auch wird im Gerichtssaal – was ich sehr bedaure – selten applaudiert.