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Martina bohrt sich durch

Nach zwei Jahren ist es vollbracht. So schnell bohrte der Erddruckschild „Martina“ des südbadischen Unternehmens Herrenknecht zwei parallel laufende Röhren des Sparvo-Tunnels in Italien an der Autobahn A1 zwischen Bologna und Florenz. Von Christoph Berger

Gleich zweimal konnte in den vergangenen zwei Jahren gefeiert werden. Erstmals Ende Juli letzten Jahres: Damals erblickte der Herrenknecht- Erddruckschild „Martina“ zum ersten Mal nach zwölf Monaten wieder das Licht der Erde. Bis zu 22 Meter pro Tag hatte sich der Schild mit dem Weltrekord- Durchmesser von 15,55 Metern bis dahin unter Tage voranbewegt und dabei jeweils 4215 Kubikmeter Erdreich abgetragen. Massen, die auch für das Baustellenmanagement eine enorme Herausforderung waren. Aber schon damals erklärte Alfonso Toto, Vorstand und Geschäftsführer der Toto Costruzioni Generali, dem führenden Partner des für den Ausbau beauftragten Joint Ventures: „Mit der größten TBM (Tunnelbohrmaschine) der Welt haben wir uns an Rekorde gewöhnt, zwei davon sind ihre Größe und ihre Vortriebsgeschwindigkeit.“ Nachdem die erste Röhre geschafft war, wurde „Martina“ samt dem Nachläufer um 180 Grad gedreht. Und von da an kam sie noch schneller voran. In nur acht Monaten bohrte sie sich zurück. So viel Zeit wurde für die zweite, parallel laufende Röhre benötigt, die sich in einem Abstand von 20 Metern zur ersten befindet. Auf dem Rückweg kam sie bis zu 24 Meter pro Tag voran. Der finale Durchbruch bei dem italienischen Großprojekt gelang am 29. Juli dieses Jahres.

Der Sparvo-Tunnel gehört zum Ausbau des vielbefahrenen Teilabschnitts „Variante di Valico“ der Autostrada A1 zwischen Bologna und Florenz und wird eine neue Ausweichstrecke darstellen. Ziel dieser Alternativroute ist es, die Reisezeit für bis zu 90.000 Fahrzeuge täglich erheblich zu reduzieren. Bauherr ist das italienische Bauunternehmen Toto Costruzioni Generali mit Sitz in Chieti; Lizenznehmer und Auftraggeber ist die Autostrade per l’Italia. Der Tunnel selbst ist 2413 Meter lang und besteht aus zwei Röhren. Jede bietet Platz für zwei Fahrbahnen und jeweils einen Standstreifen.

Der Vortrieb des Tunnels galt nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch aufgrund der geologischen Bedingungen als anspruchsvollster Teil des Gesamtprojektes. Die Geologie in der Tunneltrasse besteht vorwiegend aus Ton, Tonstein, Sandstein und Kalkstein. Zudem gibt es dort Grubengas in teilweise hohem Ausmaß. Um die notwendige Sicherheit sowie Schnelligkeit beim Bau erreichen zu können, hatte sich Toto für den Einsatz von maschineller Tunnelvortriebstechnik entschieden und 2010 eine Tunnelbohrmaschine bei Herrenknecht in Auftrag gegeben. Mit Hilfe des 4300 Tonnen schweren – so viel wiegen zehn Boing 747 zusammen – und 130 Meter langen Herrenknecht-Erddruckschilds, das mit 12.000 Kilowatt Antriebsleistung ausgestattet ist, wurden die Röhren schließlich fertiggestellt.

Baustellenmontage der weltgrößten TBM für den Sparvo- Straßentunnel in Italien, EPB-Schild, Durchmesser: 15,55 Meter, Foto: www.herrenknecht.com
Baustellenmontage der weltgrößten TBM für den Sparvo- Straßentunnel in Italien, EPB-Schild, Durchmesser: 15,55 Meter, Foto: www.herrenknecht.com

„Bei dieser Maschine ging es auch in Bezug auf die Ausrüstung für besonders gashaltige Böden darum, neue Maßstäbe zu setzen“, erklärt Herrenknecht- Projektleiter Alexander Ell. Hand in Hand mit Toto und mit der Unterstützung der lokalen Behörden sowie der Universitäten Bologna und Turin hat Herrenknecht ein komplexes Sicherheitssystem entwickelt. Es beinhaltet explosionsgeschütztes Equipment, ein vollständig eingehaustes Förderband, permanente Frischluftzufuhr in alle Bereiche sowie eine ständige Überwachung der Dichtigkeit der Einhausung und der Gaskonzentration. „Die Methankonzentration an der Ortsbrust (Anm. d. Red.: Fläche direkt vor dem Schneidrad der Tunnelbohrmaschine, an der der Materialabbau stattfindet) war so hoch, dass zum Teil über längere Zeit Frischluft in die Abbaukammer eingetragen werden musste“, berichtet Ell. Heute kann er zufrieden zurückblicken: Das System hat genauso funktioniert, wie er und sein Team es erwartet hatten.

Eine weitere Herausforderung war die Beförderung der Bauteile: Der Transport der zwei Meter breiten und über vier Meter langen Ringsegmente erfolgte mit einem explosionssicheren, 24-rädrigen Spezialfahrzeug, gefertigt von der Herrenknecht-Tochtergesellschaft Techni-Métal Systèmes. Mit einem dreifachen Aufbau und einer Breite von 2,5 Metern nimmt das Multi- Service-Fahrzeug einen kompletten Tübbingsatz aus zehn Segmenten auf. Tübbings sind die Innenteile eines Tunnels, die Wandelemente. Damit wurde mit nur einer Fahrt pro Tübbing-Ring die optimale Versorgung der TBM mit Ringbausegmenten gewährleistet.

Filmtipp

In einem Video des italienischen Bauunternehmens Toto Costruzioni Generali wird anschaulich die Arbeit mit der Herrenknecht-Tunnelbohrmaschine beschrieben – auch, wie die Maschine von Deutschland nach Italien kam: www.youtube.com/watch?v=C0EmG9wUYIY

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