Interview mit Lucius Bunk und Alexander Tebbe
Drei Schiffe gehören ihnen mittlerweile: Lucius Bunk, 34 Jahre, und Alexander Tebbe, 31 Jahre, sind die jüngsten Reeder Deutschlands. Und ihnen gelingt in der tiefsten Krise der Schifffahrt etwas, was keinem anderen so recht gelingen will: Sie sind erfolgreich. Warum das so ist und wie junge Gründer ihre Projekte angehen sollten, verraten sie im Interview mit Meike Nachtwey. Nur eins bleibt ihr Geheimnis: Wonach sie ihre Schiffe benennen.
Sie sind weder Ingenieure noch Schiffbauer, sondern Geisteswissenschaftler und Kaufmann. Wie kamen Sie auf die Idee, eine Reederei zu gründen und Frachter zu kaufen?
Alexander Tebbe (AT): Wir haben beide in traditionellen Hamburger Reedereien das Schifffahrtshandwerk gelernt und hatten unser gesamtes berufliches Leben mit Schifffahrt zu tun. 2005 haben wir uns dann kennengelernt und sehr intensiv zusammengearbeitet. Dabei haben wir festgestellt, dass das gut klappt und uns beiden Spaß macht. Da haben wir beschlossen: Wenn einmal der Zeitpunkt kommt, an dem alles zusammenpasst und das Schicksal es will, dann gründen wir eine Firma. Am Anfang war viel Unsicherheit, aber irgendwann war der Zeitpunkt da.
Wieso haben Sie sich die Nische „Stückgutfrachter“ ausgesucht?
Lucius Bunk (LB): Entscheidend war die Erkenntnis, dass Schiffe nur dann Geld verdienen, wenn man sicherstellt, dass sie auch Ladung von A nach B transportieren. Im Containerschiffbereich ist das sehr schwierig, weil man da sehr große Konzerne mit vielen Tausend Mitarbeitern braucht, um alles zu bewältigen. Im Stückgutsegment hingegen wird eine Ladung nur von einer Partei verschifft. Wenn Siemens zum Beispiel Windmühlenflügel von China nach Europa transportiert, ist einerseits die Ladung für uns sehr inspirierend, andererseits ist das Projekt spannend, weil wir selbst die Ladung akquirieren können.
Hatten Sie beim Kauf Ihres ersten Schiffes keine Angst vor großen Zahlen?
LB: In der Schifffahrt operiert man generell mit großen Zahlen. Einmal Auftanken bedeutet schon eine sechsstellige US-Dollar-Rechnung. Wir sind aber auch schon eine Weile dabei, irgendwann weiß man, dass man mit Millionensummen hantiert und dass ein Schiff einen bestimmten Wert hat. Das Volumen des Geldes hat mich nicht zusätzlich beeindruckt.
AT: Man kauft ja nicht nur ein Schiff für zehn Millionen Euro, man lädt es zudem für 200.000 Dollar voll. Wir haben jetzt drei Schiffe, die tägliche Kosten von jeweils etwa 5000 Dollar verursachen – pro Woche gehen hier also 100.000 Dollar über den Tisch. Man gewöhnt sich ein Stück weit an die großen Summen und die vielen Nullen, andererseits führen wir uns immer wieder vor Augen, dass wir uns davon nicht abstumpfen lassen dürfen. Wir kaufen nach wie vor die billige H-Milch und günstige Bleistifte. Und das machen wir absichtlich, denn wir wollen das Gefühl auch für die kleinen Summen nicht verlieren. Weil wir mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben wollen.
Wie haben Sie die Skeptiker überzeugt, Ihnen zehn Millionen Euro zu leihen?
LB: Am Ende war das Entscheidende, dass wir nicht lockergelassen haben, immer wieder unsere Vision und unser Konzept vorgestellt und die Menschen uns die Vision auch abgenommen haben. Wir konnten deutlich machen, dass wir das unbedingt wollen.
AT: Außerdem haben die Geldgeber gemerkt, dass das Projekt gut strukturiert und durchdacht war: Wir agieren bewusst antizyklisch, haben eine Vision mit klarem Fokus auf Stückgutsegment und eine klare Struktur für die Anteilseigner. Dadurch konnten wir Vertrauen gewinnen. Und Vertrauen ist letztendlich alles. Auch bei den Bankern. Vertrauen ist das stärkste Fundament, das es gibt. Hier zählt nicht der Harvard-Abschluss, sondern eher, ob ich ein Hamburger Junge bin, der hanseatisch tickt.
Muss man besonders mutig sein, um als Start-up erfolgreich zu sein?
LB: Der Mut, den Sprung ins Ungewisse zu wagen, ist ein entscheidender Faktor. Man kann trotz ausgefeiltem Konzept nicht davon ausgehen, dass man jede Eventualität bedacht hat.
AT: Ich halte mich nicht für besonders mutig, aber eins meiner Horrorszenarien war, dass ich mit 40 denke: „Hätte ich es mal gemacht. Warum habe ich nicht?“
LB: Ich war vom ersten Tag an davon überzeugt, dass es klappt, wenn wir uns anständig verhalten, unserer Idee die bestmögliche Chance geben und rausgehen aus der Komfortzone. Wenn es dann am Ende nicht klappt – schließlich gehört auch immer Glück dazu –, haben wir trotzdem dazugelernt, und das ist dann auch okay. Dann muss man eben bei Null wieder anfangen. Die Möglichkeit des Scheiterns ist Teil des Spiels, das muss man im Hinterkopf behalten.
Wie fühlt es sich an, sein eigener Chef zu sein?
LB: Es ist ein tolles Gefühl, die eigenen Visionen Dritten erklären zu dürfen und die Verantwortung auch in letzter Konsequenz zu tragen. Es stört mich nämlich, dass heute keiner die Verantwortung tragen will, keiner Fehler zugeben kann. Jetzt bin ich in der Situation, dass ich selber gestalte und hinterher sagen kann: Ich habe etwas richtig oder falsch gemacht, und das lag daran, dass ich eine Entscheidung getroffen habe. Das finde ich deutlich befriedigender.
Welche Eigenschaften haben Ihnen geholfen, den Plan durchzuziehen, eine eigene Reederei zu gründen?
AT: Eine gute Ausbildung. Man sollte nicht auf den Kopf gefallen sein und ein dickes Fell haben. Wir mussten gegen so viele Widerstände kämpfen oder standhalten – aber das hat uns nicht aufgehalten.
LB: Selbstbewusstsein ist wichtig, sonst fühlt man sich langfristig in seiner Rolle nicht wohl und kommt auch mit Rückschlägen nicht zurecht. Bei uns ist es die Unterschiedlichkeit: Gelassenheit und Ruhe bei mir, Antrieb und Dynamik bei Alex – wir ergänzen uns in unseren Eigenschaften, und das ist sehr spannend.
Wieso waren Sie sich sicher, dass Ihr Unternehmen ein Erfolg wird?
LB: Ich glaube an Zyklik. Wir sind zurzeit in einer sehr tiefen strukturellen Schifffahrtskrise, und viele Unternehmen wurden in Krisen gegründet. Sie haben Dinge anders gemacht und davon profitiert, dass sich die Dynamik zum Positiven gedreht hat. Darüber hinaus glaube ich fest an uns und unser Team, und daran, und dass wir frischen Wind in eine traditionelle Branche bringen. Wir stellen den Spruch: „Das haben wir immer schon so gemacht“ in Frage und beleuchten ihn kritisch.
AT: Jede Krise birgt eine Chance, wir wollten diese Chance nutzen. Und wir sind mit sehr viel Herzblut dabei und empfinden Arbeit nicht als Arbeit. Mit dieser Einstellung sind meiner Meinung nach die Erfolgschancen sehr hoch.
Ihr Tipp für junge Gründer?
AT: Nicht das Leben schön reden und Luftschlösser bauen, auch wenn Träumen ein ganz wichtiger Punkt ist. Aber am Ende muss man ehrlich zu sich selbst und realistisch sein. Und wenn man von sich und seiner Idee überzeugt ist, sollte man auch starten und nicht Ausreden finden, um es aufzuschieben. Man darf keine Angst davor haben, dass es nichts wird.
LB: Mein Tipp: Lieber früh anfangen als zu spät. Erfahrung sammelt man, während man etwas macht. Man ist sowieso nicht darauf vorbereitet, was es heißt, sich selbstständig zu machen.
Lucius Bunk
Nach dem Studium von Volkswirtschaftslehre und Philosophie an den Universitäten Edinburgh und Hongkong stellte Lucius Bunk die Weichen seiner Karriere Richtung Asien. Ein Sinologiestudium in Heidelberg und Shanghai brachte ausgezeichnete Sprachkenntnisse und ein profundes Verständnis für das moderne China.
Schon früh wusste der in Bad Homburg aufgewachsene Wirtschaftsökonom, dass seine berufliche Zukunft in der Schifffahrt liegt. Bei der Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ erlernte er im Anschluss an seine Studien im Rahmen eines Managementprogramms das Schiffshandwerk.
Als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Ernst Russ (Far East) leitete Lucius Bunk zuletzt das Büro in Shanghai. Neben der Koordination der fernöstlichen Aktivitäten des Hamburger Stammhauses initiierte er erfolgreich Neubauprojekte und vertiefte die Kontakte zur aufsteigenden chinesischen Schiffsindustrie.Alexander Tebbe
Nach seiner Ausbildung bei der Oldenburg- Portugiesischen Dampfschiffs-Rhederei, einer der ältesten Linienreedereien Deutschlands, sammelte der aus Haren/Ems stammende Schifffahrtskaufmann in den USA sowie in Großbritannien international Erfahrung im Schiffsmakler- und Reedereigeschäft.
Sein Studium an der Cass Business School in London mit dem Schwerpunkt Schiffsfinanzierung hat Alexander Tebbe mit Auszeichnung abgeschlossen. Im Anschluss zeichnete er bei der Hamburger Traditionsreederei Ernst Russ für die Projektbereiche Frachtderivate und Schiffsfinanzierung mitverantwortlich.
Als Geschäftsführer der Fonds- und Einschiffsgesellschaften leitete Alexander Tebbe zuletzt den Schifffahrtsbereich eines Hamburger Emissionshauses. Neben dem Fondsmanagement und der Akquise von Schifffahrtsprojekten war er hier für die Bereiche Konzeption und Kapitalvertrieb zuständig.