Robert Betz, geboren 1953 im Rheinland, ist Psychologe, Autor, Vortragsredner und Seminarleiter. Sein Buch „Willst du normal sein oder glücklich?“ steht seit der Erscheinung 2011 auf der Spiegel- Bestsellerliste, seine Facebookseite hat über 100.000 Fans. In seinem Beitrag hier erklärt er, welchen Platz Gefühle am Arbeitsplatz haben. Von Robert Betz
Zurzeit findet in vielen Unternehmen ein krasser Generationenwechsel statt, der zugleich einen Werte- und Verhaltenswandel einläutet. Die neue Generation von Führungskräften begreift mehr und mehr, dass Firmen authentische Menschen benötigen, die vieles hinterfragen, was bisher in Stein gemeißelt schien. Selbstständiges und kreatives Denken erhält einen deutlich höheren Stellenwert und wird mindestens so sehr gewünscht wie fachliches Know-how – gefragt sind neue Ideen, Offenheit, Transparenz, Wertschätzung in den Beziehungen und innere Beweglichkeit. Zu diesen Qualitäten, die jetzt in den Vordergrund rücken, gehört ganz besonders die Kompetenz im Umgang mit den eigenen Gefühlen sowie mit den Gefühlen anderer, also emotionale Kompetenz.
Wenn jemand morgens an seinen Arbeitsplatz kommt, dann erscheint da nicht nur ein Mensch mit Körper und Gehirn, sondern zugleich ein Wesen voller gespeicherter Emotionen, die er seit seiner Kindheit durch Tausende Gedanken erschaffen hat. Dazu gehören Gedanken wie „Ich muss es schaffen“, „Ich könnte scheitern“, „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich will nicht allein bleiben“, „Ich könnte (wieder) verlassen werden“. Solche und andere Gedanken erschaffen Gefühle wie Angst, Trauer, Wut, Scham, Schuld, Ohnmacht, Neid und Eifersucht. Wir sind von Haus aus emotionale Wesen, lernen aber weder in Schule noch Hochschule, wie man mit Gefühlen so umgeht, dass wir nicht an ihnen leiden. Stattdessen verdrängen wir viele Gefühle und lehnen sie ab, weil wir sie als negativ und störend empfinden, ganz besonders am Arbeitsplatz.
Besonders in der Arbeitswelt erleben wir täglich Menschen und Situationen, in denen unsere emotionalen Knöpfe gedrückt werden: der Chef, der unsere Leistung nicht anerkennt, der nicht lobt, sondern herabsetzt oder seinen Launen freien Lauf lässt. Der Kollege, der neidisch auf uns schaut, wenn wir einen Erfolg verbuchen konnten. Der aufgebrachte Kunde, der sich über Produktmängel oder die Lieferverzögerung beschwert. Sie alle lösen Emotionen in uns aus, die uns oft sprachlos und hilflos dastehen lassen, und das wiederum lässt das Gefühl der Scham in uns aufsteigen.
Generationen von Führungskräften haben gelernt, dass solche Emotionen im Unternehmen keinen Platz haben. Bis heute reißen sich ältere genauso wie junge Männer und Frauen zusammen, wenn Gefühle in ihnen hochsteigen, die man ihnen als Schwäche auslegen könnte. Erst recht sind Tränen in den meisten Firmen noch immer ein No-Go.
Erst in den letzten Jahren, in denen unter anderem immer mehr Frauen die Verantwortung im Personalmanagement übernommen haben, hat diese rigide Abwehrwand gegen Emotionen zu bröckeln begonnen. Langsam begreift man in den Führungsetagen: Wenn man sich einen lebendigen, begeisterten jungen Mitarbeiter wünscht, der mit Freude an seiner Aufgabe erfolgreiche Teams anleitet oder das Herz seiner Kunden erreicht, dann gehören zu diesem Mitarbeiter auch Emotionen wie Angst, Wut oder Ohnmacht. Sie können nicht außen vor bleiben. Denn wer solche „negativen“ Gefühle systematisch unterdrückt, der kann auch keine echte Freude und Begeisterung empfinden und zeigen. Aber dieses Umdenken steckt noch in den Kinderschuhen, vor allem deshalb, weil kaum jemand zeigen kann, wie man unangenehme Gefühle wie Angst oder Wut in Freude verwandeln kann.
Niemand kann jeden Tag gleichermaßen gut drauf sein, denn jeder bringt täglich seine private Geschichte mit an den Arbeitsplatz. Ob mich gerade der Partner betrogen oder verlassen hat, ob Mutter oder Vater gerade ins Krankenhaus eingeliefert wurden, ich von einem Freund enttäuscht wurde, die Freundin unerwartet schwanger ist oder ich nachts aus unerfindlichen Gründen nicht mehr durchschlafe, weil der Kopf voller Sorgen und Ängste ist – all dies löst Gefühle in uns aus, die wir nicht verstecken können, auch wenn wir uns zusammenreißen und tun, als sei alles in bester Ordnung. Hier hilft es, wenn wir den Mund aufmachen und offen zugeben: „Mir geht es gerade nicht gut. Ich habe da ein Problem …“. Die anderen sind auch Menschen und kennen solche Situationen aus eigener Erfahrung. Der Mut, sich schwach und verletzlich zu zeigen und mit jemandem im Unternehmen das Gespräch zu suchen, der Vertrauenswürdigkeit ausstrahlt, ist ein Weg, der sich auszahlen kann, aber das hängt von der Lebenserfahrung und Reife des Gegenübers ab.
Für die meisten Arbeitgeber gilt nach wie vor: Herzliche, begeisterte und authentische Menschen sind gewünscht. Und man darf auch mal einen emotionalen Durchhänger haben. Den muss man im Büro nicht verheimlichen – aber lösen werden die Kollegen die Krise wohl nicht. Dazu sucht man sich besser Unterstützung woanders, außerhalb der Firma.
Aktivitäten von Robert Betz
Audio-CDs
Negative Gefühle in Freude verwandeln: Geführte Meditation zur Befreiung von Angst, Wut, Scham & Co.
Betz 2006. ISBN 978-3940503404. 20 Euro.
HörprobenFrieden mit meinen „Arsch-Engeln“ – Meditations-CD: Verstrickte und verstrittene Beziehungen verstehen und verwandeln.
Betz 2008. ISBN 978-3940503626. 20 EuroInternet
www.robert-betz.com www.facebook.com/betz.robert
Eigener Channel unter www.youtube.com/user/RobertBetzTVBestseller
Willst du normal sein oder glücklich? Aufbruch in ein neues Leben und Lieben.
Heyne 2011. ISBN 978-3453701694. 8,99 Euro