Ein Erfahrungsbericht von
Annelene Seibert, 28 Jahre
Finanz- und Wirtschaftsmathematik an der TU München
eingestiegen 2009 in die Versicherungsbranche als Praktikantin
aufgestiegen 2012 bei Munich Re zur Aktuarin
„Wie viel kostet einen Popstar die Prämie für die Versicherung seiner Welttournee?“ Mit dieser Frage öffnete sich für mich die vermeintlich abstrakte Welt der Versicherung. Bei einer Recruiting-Veranstaltung hatte ich Vertreter von Munich Re getroffen und an einem Workshop teilgenommen. Wir Studenten sollten uns dabei in die Rolle eines Underwriters versetzen, also der Person, die die Prämie für einen Vertrag berechnet und diese mit dem Kunden verhandelt. Ein anschauliches und interessantes Beispiel, das meine Neugier auf die wirkliche Versicherungswelt weckte.
Mein Weg zur Rückversicherung
Die Rückversicherung ist dabei gerade unter Studenten nicht sehr bekannt. Ich werde oft gefragt, wo denn der Unterschied zwischen einer „normalen“ Versicherung und der Rückversicherung liegt. Die Arbeit der Rückversicherung beginnt meist dort, wo die Kapazitäten der Erstversicherung erschöpft sind. Wo Risiken zu groß oder komplex werden, kommt die Rückversicherung ins Spiel und übernimmt entweder einzelne Risiken (fakultative Rückversicherung) oder ein ganzes Portfolio (obligatorische Rückversicherung) von der Erstversicherung. Das ist zum Beispiel der Fall bei Großveranstaltungen wie der Fußballweltmeisterschaft, Großbauprojekten oder bei Naturkatastrophen wie Hurrikanen oder Erdbeben. Sogar Piraterie als Risiko in der Schifffahrt gehört als ein spannendes Thema zu meinem Arbeitsalltag.
In meinem Studium der Finanz- und Wirtschaftsmathematik an der TU München hatte ich im Hauptstudium erste Vorlesungen zur Versicherungsmathematik besucht. Schließlich bewarb ich mich erfolgreich für ein Praktikum bei Munich Re. Am Ende der Semesterferien lagen zwei intensive und erfahrungsreiche Monate hinter mir. Nach dieser Zeit war es für mich und meine geleistete Arbeit eine tolle Auszeichnung, dass ich für das Studentenbindungsprogramm „Munich ReMember“ vorgeschlagen wurde. Meine Erfahrung im Praktikum, das kollegiale Team, in dem ich tätig war, aber auch mein erster Eindruck von der Unternehmenskultur haben mich in meinem Wunsch bestärkt: Ich wollte auch nach Studienabschluss in diesem Unternehmen arbeiten.
Erstellung von Pricingmethoden
So blieb ich in engem Austausch. Dafür sorgte das Bindungsprogramm des Unternehmens mit Mentoring und Einladungen zu internen Veranstaltungen, aber vor allem der persönliche Kontakt zu den ehemaligen Kollegen. So habe ich zufällig bei einem Mittagessen mit einer ehemaligen Kollegin von einer offenen Stelle im Corporate Pricing erfahren – in genau dem Bereich, in dem ich bereits mein Praktikum absolviert hatte. Ich wusste somit, dass sich die Kollegen dort unter anderem mit der Erstellung von Pricingmethoden und den zugehörigen Softwaresystemen beschäftigen. Die Aufgaben hatten mich während meines Praktikums bereits interessiert, in dem Team hatte ich mich sehr wohlgefühlt, weshalb ich mich sofort auf die Stelle bewarb.
Nur zwei Monate später, nach Abschluss der letzten Diplomprüfungen, hatte ich meinen ersten Arbeitstag als Junior Actuary im Corporate Pricing. Seitdem arbeite ich insbesondere an der (Weiter-)Entwicklung von mathematischen Methoden und Systemen zur Berechnung von Prämien, speziell für fakultatives Propertygeschäft, also zum Beispiel für die Versicherung einer großen Hotelkette gegen Schäden durch Feuer- und Naturgefahren. Ein spannendes Feld, wie ich finde, wird doch die Berechenbarkeit von Naturgefahren für unser Geschäft immer bedeutsamer. Die von uns erstellten Methoden werden von den Kollegen im Underwriting angewendet, um Prämien zu berechnen und mit den Erstversicherern zu verhandeln. Deshalb gehören zu meinen Aufgaben auch der Underwriting-Support sowie die Schulung der Underwriter zur mathematischen Funktionsweise der Systeme.
Mehr Verantwortung
Nach etwa zwei Jahren wurde ich zur Aktuarin befördert. Ein Aufstieg, der neue Aufgaben und auch mehr Verantwortung mit sich brachte. So übertrug mir mein Chef beispielsweise die Projektleitung für das Update eines unserer Propertytarife. Ein Projekt, bei dem ich mit Kollegen aus dem gesamten Haus zusammenarbeiten konnte, aber es auch galt unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Zu meiner Arbeit als Aktuarin gehört heute etwa auch die Bewertung, ob ein Pricingmodell mit mathematisch korrekten Annahmen erstellt wurde. Hierbei helfen mir die Fachkenntnisse, die ich in der Ausbildung zum Aktuar bei der Deutschen Aktuarvereinigung erworben habe, die ich letzten Herbst erfolgreich abschließen konnte. Hier habe ich verschiedene Gebiete der Versicherungsmathematik nochmal grundlegend und theoretisch erlernt. Die Kosten dieser Weiterbildung wurden komplett von meinem Arbeitgeber übernommen.
Er unterstützt nicht nur die Ausbildung zum Aktuar und andere Zusatzqualifikationen. Mitarbeiter sollen sich fachlich und methodisch weiterbilden können. Von diesem breiten Schulungsangebot mache ich gerne Gebrauch und plane regelmäßig mit meiner Führungskraft, welche Seminare für mich und meine Funktion sinnvoll sind.
Kollegen aus aller Welt
Viele Studenten denken wahrscheinlich, dass man als Mathematikerin nur selten seinen Computer und Arbeitsplatz verlässt, aber in meiner Funktion ist auch Kommunikation äußerst wichtig: Corporate Pricing hat viele Schnittstellen ins Haus und Kontakte zu den internationalen Standorten. Ich lerne deshalb in Meetings und Telefonaten Kollegen aus allen möglichen Fachbereichen und aus allen Ecken der Welt kennen. Ich arbeite in meinem Team sehr projektbezogen, nur wenige Aufgaben wiederholen sich regelmäßig. Aus diesem Grund empfinde ich meine Arbeit als äußerst abwechslungsreich.
Insgesamt gibt es im Unternehmen von der Schadenreservierung bis hin zur Risikomodellierung sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder für Mathematiker. Deshalb denke ich, dass mir als Aktuarin auch in der Zukunft nie langweilig werden wird.