Der Meyer-Galow-Preis für Wirtschaftschemie ist kein Wissenschaftspreis. Er verbindet Chemieforschung und Markteinführung – und legt Kriterien an, anhand derer sich glatt ein Karriereplan aufbauen ließe. Im März 2013 wurde er das erste Mal in Wuppertal verliehen – an die Chemikerin Dr. Susanne Röhrig. Von Petrina Engelke.
Gelassenheit, Heiterkeit, Mitgefühl: Diese Eigenschaften müssen Chemiker vorweisen können, die sich Hoffnungen auf einen Meyer-Galow-Preis machen. Doch für Luschen ist das nichts. „Wenn wir alle beschließen, dass wir uns auf die Matte setzen und nur noch meditieren, dann bricht die ganze Volkswirtschaft zusammen“, sagt Prof. Dr. Erhard Meyer-Galow, Stifter des Preises. „Ich bin für fleißiges Arbeiten, viel lernen, auch leisten, aber eben mit einer inneren Haltung, die zu einem äußeren Erfolg führt, der mir und auch anderen inneren Frieden bringt und niemandem schadet.“ So zeichnet seine Stiftung Chemiker aus, die etwas an den Markt gebracht haben, das die Menschheit dringend braucht und das nachhaltig angelegt ist. Zudem müssen sie als Forscher, Erfinder oder Marktgenies obendrein besagte innere Reife mitbringen.
Für diese Kriterien findet sich in Meyer- Galows eigener Karriere erst einmal gar keine Zeit. Mit 26 ist er schon promovierter Chemiker, leitet bald die Forschung für die Gewinnung von Nichteisenmetallen aus Manganknollen vom Boden des Pazifiks und rast von dort stets im Schnellverfahren ins Top- Management. Doch mit Mitte 40 verliert er seinen Vorstandsposten, auch seine Bilderbuch-Ehe zerbricht. Mit der Krise kommt die Sinnfrage, und für Meyer-Galow führt sie nicht nur zu 25 Minuten Zen-Meditation pro Tag, sondern auch zu einem neuen Lebens- und Managementstil, den er in seinem Buch „Leben im goldenen Wind“ beschreibt.
Buchtipp
Erhard Meyer-Galow: Leben im Goldenen Wind.
Frieling & Huffmann 2011. ISBN 978-3828029460. 26,90 Euro
www.leben-im-goldenen-wind.de
Während des Schreibens keimt die Idee, einen Preis zu stiften. „Wir leben in einer Zeit, in der Manager auf der Beliebtheitsskala kurz vor den Politikern stehen, also ganz unten“, stellt Meyer- Galow fest. „Ich setze mit dem Preis ein Zeichen, um sichtbar zu machen, wie Chemie in den Markt gebracht wird, welche Innovationen mir wichtig sind und wie Leute meiner Vorstellung nach in dieser Industrie künftig wirken sollten.“
2012 schrieb er diesen Preis zum ersten Mal aus. Bewerben kann sich niemand, Kandidaten müssen von anderen vorgeschlagen werden. Zusammen mit einem fünfköpfigen wissenschaftlichen Beirat filtert Meyer-Galow aus den Vorschlägen zunächst die drei besten Innovationsleistungen. Die definiert er so: „Es gibt viele Produkte aus der Chemie, bei denen es ganz nett ist, sie zu haben, zum Beispiel Duftstoffe und Deos. Aber wir zeichnen etwas aus, auf das die Menschen warten, weil die derzeitige Situation absolut unbefriedigend ist.“
Preisträgerin 2012
Der Meyer-Galow-Preis für Wirtschaftschemie 2012 wurde am 19. März 2013 in Wuppertal an die Chemikerin Dr. Susanne Röhrig von Bayer HealthCare verliehen. Die 43-Jährige wurde für ihren Beitrag bei der Entdeckung und Entwicklung des neuartigen Gerinnungshemmers Rivaroxaban ausgezeichnet.
Im ersten Auswahlverfahren erfüllte ein Medikament die Vorgabe. Die Gesundheits-Chemikerin Susanne Röhrig hat aus ihrer Forschung heraus einen oralen Thrombose-Hemmer entwickelt. Mit marktüblichen Medikamenten für Thrombosen und Embolien gab es zuvor Dosierungsprobleme, für manche Altersgruppen waren sie sogar zu gefährlich. So holte ihr Produkt hohe Jury-Bewertungen beim Kriterium, der Gesellschaft etwas dringend Nötiges beschert zu haben. Doch zunächst standen noch zwei weitere, ebenso beeindruckende Innovationen auf der Kandidatenliste. Meyer-Galow führte ausführliche Gespräche mit den dreien, begleitete sie einen Tag lang bei der Arbeit, nahm ihren Führungsstil ebenso wie ihre Einstellung zum Leben unter die Lupe. Am Ende machte der menschliche Faktor Susanne Röhrig zur Siegerin: Im März 2013 erhielt sie den Preis. „Frau Röhrig hat über mehrere Jahre beharrlich Synthesewege gesucht für ein Molekül, obwohl die Wissenschafts- Community weltweit gesagt hat: Das kann gar nicht klappen. Sie hat trotzdem immer weitergemacht.“
Ein solcher Erfolg hat eben viel mit dem Charakter zu tun. Meyer-Galow rät deshalb dazu, die innere Entwicklung bewusst voranzutreiben. Und zwar täglich. Mit Zen-Meditation oder Gebet, Cello-Spielen oder intensivem Musikhören, aufmerksamem Waldspaziergang und so fort. „Wenn Sie Ihre menschliche Reifeentwicklung fördern, verlieren Sie auch in Ihrer Karriere nicht so viel Energie“, sagt Meyer Galow. „Sie suchen stets Win-Win-Situationen, andere spüren diese große Empathie, und das macht Sie prädestiniert für den Business-Erfolg.“
Zudem schärfen tägliche Achtsamkeitsübungen die Fähigkeiten beim Setzen von Prioritäten immens, so Meyer- Galow. Sie bereiten den Nährboden für Führungsqualitäten und schaffen die Voraussetzung, um Intuition fließen zu lassen. Das hält Meyer-Galow gerade bei Chemikern für wichtig. „Naturwissenschaftler sind sehr kopflastig. Aber die Intuition kommt nicht aus dem Kopf. Sie kommt aus einem Raum, den die Quantenphysik nach Heisenberg und Dürr das leere, kooperative Hintergrundfeld nennt.“
Bei vielen Managern aus Meyer-Galows Generation musste erst eine Krise kommen, ehe sie sich mit diesem Raum und sich selbst befassten. Ganz anders beim Nachwuchs: „Die Generation Y ist sehr fleißig, sehr begabt, aber sie fragt auch danach, wo sie arbeitet, welchen Sinn das hat, ob sie genug Freiraum hat für Familie und Freunde, inneres Wachstum und Hobbys.“ Nach Meyer- Galows Auffassung hat sie damit gute Chancen auf Erfolg.
Der Meyer-Galow-Preis für Wirtschaftschemie
- Vergabe: jährlich, Vorschläge jeweils bis 1. Juli
- Kandidaten: müssen von anderen vorgeschlagen werden und im deutschen Sprachraum arbeiten
- Leistung: Chemische Produkt- oder Prozessinnovation erfolgreich am Markt eingeführt
- Auswahlkriterien: Nachhaltigkeit des Produkts/Prozesses; Notwendigkeit für die Gesellschaft; menschliche Reife des Kandidaten
- Jury: Prof. Dr. Erhard Meyer-Galow und ein fünfköpfiger wissenschaftlicher Beirat
- Preisgeld: 10.000 Euro