Auch die Regionalbanken sind Universalkreditinstitute, die sämtliche finanzbezogenen Dienstleistungen in ihrem Portfolio haben. Doch durch ihre enge Verzahnung mit den Regionen, an die die jeweils eigenständigen Institute vertraglich gebunden sind, steht für sie ganz klar der Kunde im Mittelpunkt des Geschäfts. Die Strukturen der Regionalbanken sind dafür ein perfekter Wettbewerbsvorteil. Von Christoph Berger
Mareike Schiller hat ihren Wunscharbeitgeber gefunden. Die 32-jährige Volljuristin kann sich nur schwer eine spannendere und abwechslungsreichere Tätigkeit als die Arbeit bei der Sparkasse Bochum vorstellen – dort ist sie inzwischen zur stellvertretenden Leiterin der Rechtsabteilung mit 21 Kollegen aufgestiegen. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Darlehensverträgen, Zwangsversteigerungen, Betrugsfällen und Wertpapiergeschäften. „Für neue Produkte erstelle und überprüfe ich außerdem Verträge, meine Kollegen unterstütze ich bei Erbschaftsfällen“, erklärt sie. Zudem kam in den letzten Jahren immer mehr Führungsverantwortung hinzu. Das bedeutet vermehrte Koordination und Organisation.
Das Netz der Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken in Deutschland ist eng gestrickt. Im Mai 2012 zählte die Sparkassen-Finanzgruppe 426 Sparkassen mit 245.969 Mitarbeitern. 88 Prozent ihrer Angestellten arbeiten in bankspezifischen Bereichen. Dazu kommen die acht Landesbank- Konzerne mit der Deka Bank. Zehn Landesbausparkassen, die Deutsche Leasing-Gruppe und elf öffentliche Erstversicherungsgruppen sind weitere Unternehmen der Finanzgruppe. Ähnlich ist die Verbreitung bei den Volksbanken Raiffeisenbanken: Rund 1101 Banken mit 13.000 Geschäftsstellen werden nach eigener Aussage betrieben – alle rechtlich und wirtschaftlich selbstständig. Durch diese Dichte an Filialen erreichen die Regionalbanken so gut wie alle Menschen in Deutschland: Es gibt nur wenige Ortschaften, die nicht mit Filialen oder Geschäftsstellen erschlossen sind.
Genau in dieser regionalen Ausrichtung liegt auch eine der Chancen für Hochschulabsolventen: „Wer plant, sich beruflich regional auszurichten, hat bei der Sparkasse hervorragende Voraussetzungen“, sagt Carsten Kaulfuß, stellvertretender Personalleiter der Sparkasse Bochum. Die Regionalbank im Ruhrgebiet betreibt mit rund 1300 Mitarbeitern 45 Geschäftsstellen. „Unser Wettbewerbsvorteil ist die Marktkenntnis, wir kennen die politischen und wirtschaftlichen Strukturen der Region sowie von vielen Finanzierungsvorhaben und Standorten die Vor- und Nachteile und können demnach individuell und zielgerichtet beraten“, erklärt Kaulfuß. Auch wenn es aufgrund dieser Strukturen nicht zwingend nötig ist, als Einsteiger selbst aus der Region zu kommen: Ein Vorteil ist es allemal. Zumindest gehört es zu den Grundvoraussetzungen, sich auf die regionale Nähe zu den Kunden einzulassen. Damit Hochschulabsolventen den Bereich finden, der zu ihnen passt, bietet die Bochumer Sparkasse ein individuell gestaltbares zweijähriges Traineeprogramm an. Danach können die Trainees wählen zwischen einer Fachund einer Führungskräftelaufbahn. Aufgrund der Kundenstruktur werden vor allem Experten für das Retailgeschäft gesucht, also jene Geschäftsbereiche, die unmittelbar im Zusammenhang mit Privatpersonen stehen.
Mareike Schiller ist über eine Initiativbewerbung zur Sparkasse Bochum gekommen. Nach einem Bewerbungsgespräch durchlief sie das Traineeprogramm. In dieser Zeit arbeitete sie auch in den einzelnen Filialen der Sparkasse und bekam so einen hervorragenden Einblick in die Vorgänge einer Bank. Zu schätzen weiß sie auch den engen Kontakt zu Kunden und Kollegen aus anderen Bereichen.
Auch die Regionalbanken stehen vor Herausforderungen: Auf der einen Seite müssen sie sich in der Kosten- Ertrags-Relation verbessern. Momentan stellen Regionalinstitute fest, dass sie im Vergleich zu den Vorjahren etwa 30 Prozent ihres Zinsertrags durch die niedrigen Zinsniveaus in der Eurozone einbüßen. „Diese wegfallenden Erträge müssen sie durch Kosteneinsparungen oder alternative Ertragsquellen wieder reinholen“, sagt der auf Banken spezialisierte Unternehmensberater Prof. Dr. Bernd Nolte. Auf der anderen Seite sieht er im gesamten Themenkomplex Nachhaltigkeit und Unternehmensfinanzierung neue Ertragsquellen: „Es geht hier um die Finanzierung nachhaltiger Energiegewinnungstechnologien, zum Beispiel Biogas, Photovoltaik oder Windkraft.“ Da entständen derzeit ganz neue Geschäftsmodelle. Regionalinstitute finanzieren beispielsweise viele Energie- oder Bürgergenossenschaften und vermitteln Beteiligungskapital zwischen den örtlichen Energieunternehmern und den Bankkunden. „Zusätzlich müssen die Banken ihre Filialnetze und Kostenstrukturen überprüfen“, erklärt Nolte. Der demografische Wandel müsse hier seiner Meinung nach genutzt werden, um die Filialen neu zu positionieren und um kostenwirtschaftlicher zu werden. Drängende Herausforderungen also – mit mehreren Stellschrauben. Und interessant für Absolventen, die aufgrund der neuen Geschäftsmodelle schon früh mit diesen unternehmerischen Herausforderungen in Berührung kommen, Einblicke ins Bankmanagement erlangen und dadurch den General-Management- Ansatz „live“ miterleben können.
Mitarbeiter in Kreditgenossenschaften
Nach dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) waren 2011 bei den deutschen Genossenschaftsbanken inklusive der Sparda- Banken und PSD Banken 158.250 Mitarbeiter im Bankgeschäft angestellt. Gegenüber 1990 ist dies eine positive Entwicklung, damals waren es 151.400. Allerdings gab es auch schon einmal mehr Angestellte: 1997 wurden 171.800 Mitarbeiter gezählt. Insgesamt gehört die genossenschaftliche FinanzGruppe zu einer der größten Bankengruppen Deutschlands.
Quelle: www.bvr.de