Fred Breinersdorfer

Als Anwalt ist Fred Breinersdorfer auf der Suche nach Gerechtigkeit. Als Autor von spannenden Krimis und Drehbüchern sucht er die Spannung. Zur Meisterschaft hat er es in beiden Berufen gebracht – und missen möchte der 66-Jährige weder das eine noch das andere. Von André Boße

Zur Person

Fred Breinersdorfer, geboren am 6. Dezember 1946 in Mannheim, studierte in Mainz und Tübingen Jura und Soziologie und promovierte zum Thema „Gleichheit der Bildungschancen in Deutschland“. Er praktizierte zunächst 17 Jahre lang in Stuttgart als Anwalt mit dem Schwerpunkt Hochschulrecht. Sein erster Kriminalroman über den fiktiven Anwalt Abel erschien 1980; sein Debüt als Drehbuchautor für einen „Tatort“ war 1984 der Schimanski-Krimi „Zweierlei Blut“. Seitdem ist er für die Drehbücher vieler Krimis und Fernsehfilme verantwortlich. Sein Debüt als Filmproduzent und Kino-Drehbuchautor, „Sophie Scholl – die letzten Tage“, wurde 2006 für den Oscar nominiert. Der zweifache Vater, der auch als Fotograf und Maler tätig ist, ist seit 2004 in Berlin am Landgericht und Kammergericht zugelassen und Mitglied der Berliner Anwaltskanzlei Müller Radack.

Fred Breinersdorfer hat ein Faible für spannende Fälle. Sein erster Krimi erschien vor mehr als 30 Jahren, sein erstes TV-Drehbuch schrieb er 1984 für die Tatort-Folge „Zweierlei Blut“ mit Götz George – unvergessen die Szene, als Horst Schimanski von Hooligans nackt im Anstoßkreis des Wedaustadions ausgesetzt wurde. Im weiteren Verlauf seiner erfolgreichen Karriere als Drehbuchautor widmete sich Breinersdorfer auch dem „Hammermörder“ und dem „Mann mit der Maske“, schrieb über „Notwehr“, „Quarantäne“ und „Angst“. Wer diese Filme gesehen hat, weiß: Dieser Autor hat nicht nur ein Gefühl für Spannung, sondern vor allem ein Talent dafür, offensichtlich zu machen, warum Menschen etwas Böses tun.

Häufig genug hat der 66-Jährige erfahren, welche Motive und Sehnsüchte hinter großen Verbrechen und kleineren Gaunereien stecken. Schließlich hat Fred Breinersdorfer nicht nur Jura studiert, sondern zu Beginn seiner Anwaltskarriere auch als Strafverteidiger gearbeitet. „99 Prozent meiner Autorenkollegen haben dagegen noch nie mit Mördern und Totschlägern zu tun gehabt“, sagt er. Diesen Erfahrungsvorsprung eines Juristen nutzt er, zumal man als Rechtsanwalt nicht nur die böse Seite kennenlerne. „Man hat mit allen Facetten menschlicher Probleme zu tun. Das inspiriert mich beim Schreiben. Es hilft, Charaktere lebendiger zu schildern.“

Der gebürtige Mannheimer ist heute ein vielbeschäftigter Autor von Drehbüchern und seit 2005 auch Produzent und Regisseur von Kinofilmen. Seine Anwaltskarriere führt er dennoch weiter: Als Spezialist für Urheber- und Medienrecht ist der Wahl-Berliner seit 2008 Mitglied der Kanzlei Müller Radack. Für seine Mandanten aus der Medien- und Kunstszene legt er seine Branchenkenntnisse in die Waagschale, und umgekehrt hilft das juristische Wissen ungemein für seine eigene Tätigkeit als Autor, Produzent und Regisseur. „Als Anwalt habe ich den Vorteil, einen Bereich zu durchblicken, in dem andere Medienschaffende oft sehr unsicher sind – das Recht.“ Das beginne bei juristischen Bezügen in den Filmstoffen, gehe über Fragen des Urheberund Persönlichkeitsrechts bis hin zum Vertragsrecht – „und wenn’s dicke kommt bis zur Zwangsvollstreckung“.

Ein Leben ganz ohne fiktive Stoffe und künstlerische Verwirklichung kann sich Fred Breinersdorfer gar nicht mehr vorstellen. Er würde die Gestaltungsfreiheit vermissen. „Als Anwalt muss ich meine Kreativität dem Mandantenwohl unterordnen. In der Kunst dagegen herrscht Freiheit. Im Fernsehen wenigstens ein bisschen, in der bildenden Kunst kann das bis zur Anarchie gehen.“

Prof. Dr. Fred Breinersdorfer im Internet: www.breinersdorfer.com
Der Film: www.sophiescholl-derfilm.de

Genau deshalb ist Breinersdorfer seit vielen Jahren auch als Maler aktiv: „Das surreale Element – Bilder über die Wirklichkeit“ nennt sich eine seiner Werkreihen. Als Künstler hat sich Fred Breinersdorfer also in so ziemlich alle Metiers getraut. Und auch der Sport fasziniert ihn: Als junger Mann war er ambitionierter Rennruderer, später verlegte er sich auf den Marathon, bevor er sich heute zum Wohle seiner Knochen beim Walking versucht. Und auch vor der Politik machte der Vielbeschäftigte nicht halt: 1994 kandidierte er als SPDMitglied in Stuttgart für den Bundestag. Das hat zwar nicht funktioniert, trotzdem hat er eine Antwort auf die Frage, warum so viele Juristen den Weg in politische Ämter finden: „Juristen sind die Fachleute für das Allgemeine, wie Ralf Dahrendorf schon festgestellt hat. Daher gravitieren sie in Positionen, wo man alles und nichts können muss, vulgo die Politik.“

Oder eben in die Medienbranche. Wobei: Fred Breinersdorfer steht zu seiner Verantwortung, seine fiktiven Geschichten möglichst nah an der Wirklichkeit zu erzählen. Andere Autoren nehmen es da nicht ganz so genau. Vor allem nicht in Fernsehkrimis. Wie oft er vor dem Fernseher sitze und beim Anschauen eines Krimis denke, dass das hinten und vorne nicht hinhaut? „Ziemlich oft“, sagt er. Das fange schon bei der Ausstattung und Requisite an. „Zum Beispiel, wenn ein deutscher Richter mit einem Hammer die Sitzung leitet oder die Bücher verkehrt herum auf dem Tisch stehen hat.“ Auch juristische Fehler in den Stoffen seien üblich. Zudem beobachte er häufig, dass die Schauspieler Probleme haben, typisch juristische Dialoge zu sprechen. „Achten Sie mal darauf, wenn einer ,Sonderermittlungsauftrag’ oder ,Durchsuchungsanordnung’ sagen soll: Viele Schauspieler müssen vor dem Wort einen extra Anlauf nehmen, um es zu bewältigen.“

Trotzdem beharrt Fred Breinersdorfer darauf, dass die Film- und Fernsehbranche mehr zu bieten hat als Entertainment. Wie auch die Juristerei besitze die Fiktion das Potenzial, die Welt zu verändern. „Ein Spruch des Bundesverfassungsgerichts kann die Politik neu justieren. Andererseits hat eine TV-Serie wie ,Holocaust’ das Geschichtsbewusstsein von Generationen geändert.“ Sein Credo: „Wir können froh sein, dass beides nebeneinander zu unserer Zivilgesellschaft gehört.“

Kein Wunder also, dass der zweifache Vater seiner Tochter Léonie-Claire nicht von ihren Plänen abgeraten hat, ebenfalls den Spagat zwischen Anwaltsberuf und Medienkarriere zu wagen: Die 36-Jährige studierte Jura, ist praktizierende Anwältin und schrieb Drehbücher für Tatort-Filme sowie für die Verfilmung von Henning Mankells „Der Chinese“. Für die Antwort auf die Frage, warum Vater und Tochter weder vom Recht noch vom Schreiben lassen, muss Breinersdorfer nicht lange überlegen: „Weil es eine schwere, aber spannende Art ist, seiner Kreativität Spielraum zu geben.“

Dichtende Juristen

Die Geschichte kennt viele Beispiele von Juristen, die sich neben ihrer anwaltlichen oder gerichtlichen Tätigkeit die Lyrik oder Schriftstellerei als kreativen Ausgleich suchten. Schon Cicero verband die Dichterkunst mit seiner juristischen Tätigkeit. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich der Anwalt Molière zum Dichterfürsten; der Staatsrechtler Montesquieu erlangte im 18. Jahrhundert durch seine Romane Berühmtheit. Im 19. Jahrhundert gehörte ein Studium der Rechtswissenschaften für Schriftsteller zum guten Ton. Ob Balzac oder Flaubert, Goethe oder Storm – alle studierten sie Jura. Im 20. Jahrhundert führten Marcel Proust, Franz Kafka oder Ingeborg Bachmann diese Tradition fort. Zu den bekannten Autoren der Gegenwart gehören neben Paulo Coelho auch Bernhard Schlink („Der Vorleser“). Er war Richter am Verfassungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Bekanntester schreibender Strafverteidiger dieser Tage: Ferdinand von Schirach, Autor der Besteller „Verbrechen“ und „Schuld“.

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