Bald dreifache Mutter und trotzdem in einer Führungsposition? Für Andrea Puschmann ist das kein Wunschdenken, sondern gelebte Arbeitsrealität. Die Personalmanagerin bei Ford Deutschland teilt sich einen Leitungsposten mit einem Kollegen. Wie das funktioniert und worauf es ankommt, um als Frau in einer männerdominierten Branche Karriere zu machen und gleichzeitig eine Familie zu gründen, erzählt die 40-Jährige im Interview mit André Boße.
Zur Person
Andrea Puschmann, 40 Jahre, studierte BWL an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Schon während des Studiums fokussierte sie sich auf eine Karriere im Personalmanagement. Nach dem Diplom entschied sie sich 1997 für den Karriereeinstieg bei Ford, weil sie die Internationalität des Unternehmens überzeugte. Nach ersten Stationen in der Personalabteilung ging sie 2000 für ein Jahr nach Detroit, zum Sitz der USUnternehmensmutter. 2001 kehrte sie nach Deutschland zurück und arbeitete für das Personalmanagement für Ford Europa. Im April 2008 wurde sie Diversity Managerin für Ford Europa und Ford Deutschland. Seit 2010 teilt sich die bald dreifache Mutter die Personalleitung der Produktion des Ford Fiesta im Werk in Köln-Niehl mit einem Kollegen. Das Job-Sharing-Modell ist auf dieser hohen Managementebene einzigartig.
Frau Puschmann, als Sie 1997 Ihr BWLStudium abschlossen und Ihre erste Stelle bei Ford antraten, hatten Sie damals eine Art Karriereplan in der Tasche?
Einen Plan? Eher weniger. Was für mich klar war: Ich wollte im Personalmanagement einsteigen. Ich wusste, dass meine Stärken in der Kommunikation und im Umgang mit Menschen liegen. Zu Ford bin ich dann gegangen, weil ich das Gefühl hatte, dass mir ein international aufgestelltes großes Unternehmen mehr Möglichkeiten bietet als ein nur national agierendes Unternehmen.
Welche Rolle spielte das Einstiegsgehalt?
Keine besonders große. Ich hatte zunächst nur einen befristeten Vertrag, doch auch das war kein Problem. Entscheidend für mich war, dass der Bereich stimmte und dass ich viele Entwicklungsmöglichkeiten sah.
Hat Sie der befristete Vertrag verunsichert?
Nein, das hat mir als Absolventin kein Kopfzerbrechen bereitet, zumal ich sehr schnell gemerkt habe: Wer gute Arbeit leistet, der wird irgendwann auch unbefristet eingestellt.
War die Familienplanung damals schon ein Thema?
Konkret noch nicht. Aber ich hatte schon in unserer Absolventenzeitung auf die Frage, wo ich mich in zehn Jahren sehen würde, geantwortet: Dann möchte ich Karriere und Familie unter einen Hut bekommen.
Sie sind dann als junge Frau in ein großes Unternehmen in der männerdominierten Autobranche eingestiegen. Gab es gerade in den ersten Jahren als Young Professional Stolpersteine auf dem Weg nach oben?
Als Frau in der Minderheit zu sein, habe ich von Beginn an als Chance begriffen. Eingestiegen bin ich in der Produktentwicklung, meine zweite Station war dann bereits die Personalabteilung einer Fertigung. Da traf ich tatsächlich auf eine Männerwelt, in der klare Worte gesprochen wurden. Ich war damals erst Ende 20 – und es kam tatsächlich vor, dass mich Mitarbeiter für die Praktikantin hielten.
Gab das keinen Knick fürs Selbstbewusstsein?
Nein, denn ich habe immer die Vorteile gesucht. Es gab eine Reihe von Managerrunden, an der die gesamte Werkleitung teilnahm. Ich war dann als Personalvertreterin nicht nur die einzige Frau am Tisch, sondern auch die einzige Person unter 30 Jahren. Ein schönes Kompliment vom Werkleiter lautete damals, dass sich durch meine Anwesenheit die Kultur und Stimmung dieser Runde verbessert habe. Wobei das nicht bedeutete, dass mich die männlichen Kollegen besonders fürsorglich behandelt oder nicht ernst genommen hätten. Ich habe gespürt, dass mich die Kollegen tatsächlich als Bereicherung empfanden. Zudem waren diese Runden für mich die beste Schule: Ich habe gelernt, mich durchzusetzen. Diese Erfahrungen waren anstrengend, aber sie haben mir dabei geholfen, die richtigen Weichen für meine weitere Entwicklung zu stellen.
Wie sehr muss man sich denn als Frau anpassen, wenn man in einer männerdominierten Branche Erfolg haben möchte?
Am besten gar nicht. Erfolgversprechend ist, sich treu zu bleiben. Authentisch zu sein. Wer als Frau glaubt, die harte Gangart zu wählen, auch wenn man diese eigentlich gar nicht draufhat, bekommt eher Probleme. Ich habe bei meinen Stationen sehr oft die Rückmeldung bekommen, dass die Zusammenarbeit mit mir angenehm ist, weil ich mich eben nicht verstelle.
Gab es denn auf Ihrem Weg nach oben auch kritisches Feedback?
Es wurde einmal die Frage gestellt, ob ich denn als die nette Person, als die man mich wahrnahm, auch wirklich schwierige Themen durchsetzen könne.
Ihre Antwort?
Ich habe angemerkt, dass ich mit meiner Art bereits sehr viele Ziele erreicht habe. Dass ich Verhandlungserfolge vorweisen kann. Es gibt viele Wege, in einem Managementberuf Ziele zu erreichen. Meine Strategie ist es eben, einen Konsens zu bilden, Kompromisse zu finden. Diese Strategie entspricht meinem Wesen – daher ist sie für mich die richtige.
Heißt auch: Frauen sollten sich nicht hinter ihren Erfolgen verstecken, sondern diese offensiv darstellen.
Ganz genau. Das ist vielleicht ein wesentlicher Unterschied zwischen Männern und Frauen. Während erfolgreiche Männer selbstbewusst sagen: „Diesen Erfolg habe ich erreicht“, geben Frauen die Lorbeeren eher an das Team weiter. Ich denke, die Mischung macht’s: Klar ist das Team wichtig. Doch man sollte auch die eigene Leitungsposition innerhalb des Teams zur Sprache bringen. Dafür ist es empfehlenswert, sich regelmäßig hinzusetzen und aufzuschreiben, was man in den vergangenen Wochen tatsächlich geleistet hat. Diese Aufzeichnungen sind dann nicht nur für die Jahresendgespräche mit dem Vorgesetzten wichtig, sondern auch für das eigene Selbstbewusstsein.
Sie sind bald dreifache Mutter. Wie vereinbaren Sie persönlich Karriere und Familie?
Eine amerikanische Kollegin hat für Karriere das Bild eines Dimmers gefunden: Es darf Phasen geben, in denen man die Karriere ein wenig herunterdimmt. Wenn ein Baby da ist. Oder die älteren Kinder in der Schule mehr Aufmerksamkeit benötigen. Dann wird es aber auch wieder eine Zeit geben, in der man die Karriere wieder hochdimmen möchte, um die nächsten Schritte zu machen.
Ist das Karrierebild „Vollgas bis zum Anschlag“ für Sie überholt?
Zumindest bieten Unternehmen wie das unsere viele Möglichkeiten, es anders zu machen. Und gerade junge Menschen nehmen diese Möglichkeiten wahr, weil sie viel stärker als früher ihr Privat- und Berufsleben in Einklang bringen möchten.
Seit gut zwei Jahren teilen Sie sich einen Führungsposten im Unternehmen: Sie leiten zusammen mit einem Kollegen die Personalabteilung der Produktion des Ford Fiesta im Kölner Werk mit rund 4000 Mitarbeitern. Wie funktioniert dieses Job-Sharing?
Ich bin montags bis mittwochs da, mein Job-Sharing-Partner mittwochs bis freitags. Wir haben also einen gemeinsamen Tag, wobei wir am Freitag telefonieren, um die wichtigsten Sachen zu besprechen. Dieses Modell ist schon eine Art Pilotprojekt, und wir hatten zunächst ein halbes Jahr zur Probe angesetzt – es hat aber so gut funktioniert, dass es jetzt unbefristet weiterläuft.
Will heißen: Sie arbeiten in einer Führungsposition und haben tatsächlich donnerstags und freitags frei.
Ja, bis auf das eine Telefonat.
Was muss man mitbringen, damit ein solches Job-Sharing-Modell auf dieser hohen Ebene erfolgreich funktioniert?
Die beiden Partner müssen sich gut verstehen, das ist die Grundvoraussetzung. Es muss ausgeschlossen sein, dass der eine heimlich auf Kosten des anderen Karriere machen möchte, weil er zum Beispiel scharf auf die ganze Stelle ist oder die Stelle nur als Sprungbrett für den nächsten Schritt betrachtet. Auch ist es wichtig, dass man inhaltlich gleich tickt und die Entscheidungen des Job-Sharing-Partners akzeptiert – auch, wenn man vielleicht in der einen oder anderen Frage persönlich anders entschieden hätte.
Was ist für Sie persönlich der größte Vorteil dieses Job-Sharing-Modells?
Das Modell ermöglicht es mir, meinen Traumjob in Teilzeit zu machen. Der Posten an sich ist sehr anspruchsvoll und kann nur in Vollzeit erfüllt werden. Als junge Mutter hatte ich daher diese Stelle mittelfristig abgeschrieben. Doch dann ergab sich diese Option – wobei ich natürlich meinem Kollegen und auch meinem Arbeitgeber dankbar bin, zumal sich das Unternehmen leistet, dass wir mittwochs beide da sind.
Zum Abschluss: Was würden Sie nach Ihren vielfältigen Erfahrungen auf dem Weg nach oben einer Einsteigerin raten?
Erstens, suche dir einen Bereich aus, der dir wirklich Spaß macht. Zweitens, zeige deinen Kollegen dann auch, dass dir deine Arbeit Spaß macht. Ich habe auf meinem Weg viele Kolleginnen erlebt, die immer dann, wenn jemand nach vorne treten sollte, zu mir sagten: „Ach, mach du das mal!“ Ich habe das dann gemacht – und habe daraus viele Vorteile gezogen. Die anderen dagegen haben viele Chancen vertan. Man sollte in einem großen Unternehmen nicht darauf vertrauen, dass man entdeckt wird. Dafür, dass man wahrgenommen wird, muss jeder selbst sorgen.
Zum Unternehmen
Ford Deutschland ist eine seit den Zwanzigerjahren bestehende Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Ford Motor Company. Heimat des Unternehmens ist Köln. Seit 1998 sitzt hier auch die Verwaltung von Ford of Europe, die auf dem Kontinent gut 50 Märkte betreut. In Köln sind rund 17.300 Mitarbeiter tätig. Rund 4000 von ihnen arbeiten in der Fertigung des Ford Fiesta. Weitere Deutschland-Sitze finden sich in Köln-Merkenich (Entwicklungszentrum und Teilevertriebszentrum), Saarlouis sowie Aachen, wo sich das Forschungszentrum befindet, in dem rund 250 Wissenschaftler und Ingenieure an der Mobilität von morgen forschen. Um den Frauenanteil in der Entwicklung und Produktion der Fahrzeuge zu erhöhen, hat das Unternehmen schon 1999 das Projekt „FiT – Frauen in technischen Berufen“ ins Leben gerufen, durch das Schülerinnen von den Karrieremöglichkeiten im technischen Bereich begeistert werden sollen.