Studierende der Fachhochschule Regensburg haben Kriterien für eine umfassende Prozessoptimierung evaluiert – auf Basis einer elektronischen Vergabeplattform. Von Verena Mikeleit
Die Consumer-Branche machte es vor, nun will die Baubranche bei der Digitalisierung von Prozessen nachziehen. Während der Handel schon voll auf das Internet setzt, hinken die Bauunternehmen noch hinterher. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln mit seiner Tochter, der IW Consult, in Kooperation mit dem Branchenverband BITKOM untersucht, wie bedeutsam das Internet für die deutsche Wirtschaft ist. Im IW-Zukunfts panel, einer für Deutschland repräsentativen Unternehmensbefragung, wurden Unternehmen erstmals dazu befragt, welche Bedeutung das Internet innerhalb ihres Geschäftsmodells innehat. In dem Bericht heißt es unter anderem: „Betrachtet man die Vorreiter im Baugewerbe in Deutschland, so zeigt sich, dass bei diesen Unternehmen im Vergleich zu den anderen Branchenvorreitern das Internet die am wenigsten dominante Rolle in den Geschäftsmodellen spielt. Insgesamt 15 Prozent der Unternehmen im Baugewerbe haben Geschäftsmodelle, die nur sehr schwach internetabhängig sind, 23 Prozent sind schwach internetabhängig. Mit nur 20 Prozent ist die Gruppe der Unternehmen, in denen das Internet eine zentrale Rolle spielt, aus dem Baugewerbe, verglichen mit den anderen Branchen, am kleinsten.“
Dies scheint erst einmal nicht verwunderlich, ist das Geschäftsmodell der Unternehmen doch der Bau, also die Planung, Durchführung und das Betreiben von Bauprojekten. Gleichzeitig ist die Branche jedoch auch geprägt von multidimensionalen und komplexen Prozessen. Und genau hier liegen enorme Potenziale. Die Studie „ForBAU“ empfiehlt beispielsweise die Einführung von Projektplattformen, die alle projektrelevanten Informationen unabhängig von Zeit und Ort für alle verfügbar machen. Dazu zählt übrigens nicht der rege Austausch von E-Mails – der sei kein adäquater Ersatz für moderne IT-Systeme. Die Autoren der Studie haben festgestellt, dass ein unstrukturierter Datenaustausch per E-Mail zu Redundanz und Verwirrung statt zur Transparenz führt.
An dem Beispiel der e-Vergabe haben Studierende der Fachhochschule nun unsere e-Vergabe-Plattform im Rahmen ihrer BA-Thesis tiefgehend untersucht. Ziel war es, die elektronische Vergabe speziell an die Anforderungen der privaten Bauwirtschaft zu adaptieren. Im März dieses Jahres wurde auf Initiative und unter Leitung der Firmengruppe Max Bögl die Abschlussarbeit fertiggestellt. „Die Studierenden haben die spezifischen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz einer e-Vergabe- Plattform in der Bauindustrie im Rahmen ihrer Bachelorthesis definiert, damit diese auch von Generalunternehmern möglichst effizient genutzt werden kann“, erklärt Mathias A. Bartl von der Unternehmensentwicklung bei Bögl. Hintergrund der Bachelorthesis ist eine umfassende Prozessoptimierung innerhalb der Bauwirtschaft. „Die Bauindustrie befindet sich aktuell in einem fortdauernden Veränderungsprozess hin zum digitalen Planen und Bauen mit modernsten IT-Systemen“, so Erik von Stebut von RIB Software. Innovative Vertreter der Branche zählen hier zu den Vorreitern, die ihre Wertschöpfungspotenziale mit BIMERP- Technologie (BIM=Building Information Modelling, ERP=Enterprise- Resource-Planning) in den Bereichen Kalkulation, Angebotswesen, Ausführung und Abrechnung bereits signifikant erhöhen konnten.
Enterprise-Resource-Planning
Mithilfe von Enterprise-Resource-Planning (ERP) sollen alle in einem Unternehmen vorhandenen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden – auch mit dem Ziel, die Geschäftsprozesse zu optimieren.
So agieren Bauunternehmen gewöhnlich gleichzeitig als Auftraggeber und als Auftragnehmer. Daraus resultieren Preisanfragen bei mehreren Tausend Nachunternehmern innerhalb der Kalkulationsphase bei großen Baukonzernen sowie auch innerhalb des Mittelstands. Das stellt einen unglaublichen Aufwand dar – gerade dann, wenn dieser Prozess manuell erfolgt: beispielsweise per E-Mail, Fax oder Post. Da bei privaten Bauunternehmen in der Regel verschiedene Unternehmensbereiche und Abteilungen Nachunternehmerleistungen und in unterschiedlichen Projektphasen Preisanfragen bearbeiten, sind bei manuellen Arbeitsschritten außerdem Fehler bei der Eingabe nicht auszuschließen. Bei elektronischen Prozessen können diese Fehler vermieden werden. Zudem beschleunigt er das gesamte Verfahren. So bleibt mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben im Unternehmen.
Die Studierenden der FH Regensburg evaluierten nun auf Basis von Befragungen einen branchenweiten Wunsch nach durchgängiger Prozessund damit Kostensicherheit, wie er durch den Einsatz einer e-Vergabe- Plattform möglich werden könnte. Der Wunsch der Befragten ist es, einen standardisierten, phasen- und divisionenübergreifenden Ausschreibungsprozess für Nachunternehmerleistungen auf der Plattform zu konzipieren, der eine enorme Zeit- und damit Kostenersparnis bei Bauunternehmen möglich machen soll. Mit Hilfe einer speziellen Schnittstelle zwischen der BIM-ERP-Lösung und der e-Vergabe-Plattform soll dieser möglichst digital generiert werden.
Building Information Modelling
Beim Building Information Modelling (BIM) werden Gebäude mithilfe von Computermodellen visualisiert. Dies ist in allen Phasen einer Immobilie sinnvoll: in der Bauplanung, der -ausführung und im späteren Betrieb. In den Modellen können zudem alle zum Gebäude relevanten Daten digital hinterlegt werden.