Worauf legen Forscher wert, wenn es um ihre Karriere geht? Und wie gelingt es Unternehmen, sich so zu organisieren, dass ihre Fachexperten motiviert und innovativ zu Werke gehen? Liza Wohlfart vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat zusammen mit ihrem Kollegen Kuno Moll eine Studie über „Innovative Karrieresysteme“ verfasst und sagt: Es muss beides geben, klare Strukturen und individuelle Freiheit. Das Gespräch mit ihr führte André Boße.
Zur Person
Liza Wohlfart, Jahrgang 1974, ist seit 2002 im Bereich Forschungs- und Entwicklungsmanagement des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) tätig. Sie arbeitet dort in verschiedenen nationalen und internationalen Forschungs- und industriellen Beratungsprojekten, ist Autorin zahlreicher Fachveröffentlichungen und Mitherausgeberin zweier Bücher zu den Themen Wissensmanagement und Unternehmensentwicklung. Ein aktueller Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist das Thema Karriere- und Anreizsysteme für die Forschung und Entwicklung.
Frau Wohlfart, ist ein guter Forscher ein guter Forscher – egal, ob er an einer Hochschule, in einem Start-up-Unternehmen oder in der Forschungsabteilung eines Konzerns arbeitet?
Bestimmte Eigenschaften, wie Neugier, eine hohe Lernbereitschaft oder ein gutes Gespür für aktuelle Themen, benötigt jeder Forscher unabhängig von seinem Arbeitsplatz. Das gilt auch für ein hohes Durchhaltevermögen. Ohne Frage sind aber je nach Arbeitsfeld spezielle Kompetenzen besonders gefragt: Ein Forscher an der Universität muss unter anderem fit in den Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens sein, während in Unternehmen vor allem Tatkraft und wirtschaftliches Denken unerlässlich sind.
Was sind denn bemerkenswerte Talente und Qualitäten, die ein Absolvent der Naturwissenschaften mitbringen sollte, um als Fachexperte in forschungsintensiven Bereichen Karriere zu machen?
Soziale Fähigkeiten werden für Forscher immer wichtiger. Den Forscher, der allein in seinem Zimmer vor sich hin tüftelt und Innovationen auf den Weg bringt, gibt es nicht mehr. Neue Ideen entstehen heute vor allem dann, wenn das Wissen vieler kreativer Köpfe zusammenkommt – sei es in der Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg oder auch in der Kooperation zwischen Unternehmen. Eine wichtige Aufgabe von Fachexperten, die oft in der Öffentlichkeit gar nicht so sehr wahrgenommen wird, ist die interne Beratung von Kollegen. Auch hier sind kommunikative Fähigkeiten gefragt. Man muss regelmäßig Antwort auf die Frage finden: Wie kann ich mein Wissen Fachfremden so anschaulich vermitteln, dass sie es verstehen? Notwendig sind darüber hinaus auch methodische Kenntnisse und Fertigkeiten, die es ermöglichen, eine Problemstellung systematisch zu bearbeiten.
Wie kann Forschung so organisiert, werden, dass möglichst innovativ gearbeitet wird?
Das A und O einer gut funktionierenden Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist eine Mischung aus klaren Strukturen und individuellen Freiheitsgraden. Eine Herausforderung dieser Abteilungen: Forschungsleistungen lassen sich nicht mit denselben Erfolgskennzahlen messen, die in anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Vertrieb angewendet werden. Innovationen in der Forschung gehen immer mit Unsicherheit einher und benötigen ein gesundes Maß an Fehlertoleranz und Risikobereitschaft.
Welche Rolle spielen dabei die Führungskräfte?
Die Unterstützung von oben ist von hoher Bedeutung. Nachwuchskräfte, die darin bestärkt werden, auch einmal Risiken einzugehen, Altbewährtes infrage zu stellen und Neues zu wagen, gehen in ihrer Arbeit häufig genau den Schritt weiter, der dann aus einem ersten guten Einfall eine ganz neue Geschäftsidee entstehen lässt. Überdies ist ein Klima des Vertrauens und der Offenheit unerlässlich für eine erfolgreiche Arbeit. Die Grundlagen dafür müssen von der Führungsebene vorgelebt und von dort bis in die operative Ebene getragen werden.
Wie beurteilen Sie in dieser Hinsicht den Forschungsstandort Deutschland?
Was den Forschungsstandort als Ganzes anbelangt: Einige Rahmenbedingungen wurden in den vergangenen Jahren verbessert, sodass ein günstigeres Umfeld für Forschung entstanden ist. Im öffentlichen Bereich zum Beispiel haben exzellente Forscher heute bessere Einkommen. Ziel unserer Studie war es herauszufinden, welche weiteren Faktoren von Fachexperten als besonders attraktiv und motivierend angesehen werden. Dazu zählen inhaltliche Gestaltungsfreiräume, aber auch Zugang zu den Gremien, in denen die unternehmerischen Entscheidungen vorbereitet werden. Wichtig sind zudem viele Möglichkeiten, um kontinuierlich zu lernen und sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln.
Welchen Ratschlag können Sie Absolventen der Naturwissenschaften geben, die ihre Karriere in einem forschungsintensiven Bereich beginnen?
Viele Unternehmen bieten heute differenzierte Karrieresysteme mit Fach- oder Projektlaufbahnen an. Hier gilt es, die eigenen Neigungen und Fähigkeiten unter die Lupe zu nehmen: Was macht mir Spaß, wo liegen meine Stärken? Fachexperten lieben den fachlichen Austausch mit Gleichgesinnten und die Möglichkeit, sich in Themen zu vertiefen. Ein Projektleiter ist im Gegensatz dazu der „Indiana Jones“ unter den Mitarbeitern, wie es ein Interviewpartner in unserer Studie ausgedrückt hat. Er stellt sich gerne den vielfältigen Herausforderungen, die ein Projekt mit sich bringt. Gute Hilfe bietet hier der Austausch mit erfahrenen Kollegen, die bereits verschiedene Höhen und Tiefen einer Laufbahn gemeistert haben. Allgemein ist Einsteigern im Forschungsbereich zu raten, sich möglichst frühzeitig mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Karriere mittel- und langfristig weiterentwickelt werden kann, zum Beispiel nach einer Promotion.