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Interview mit Prof. Waldemar Pelz

Motiviert zu sein ist das eine. Man will den Erfolg und ist bereit, dafür einiges zu investieren. Doch reicht allein die gute Absicht aus, um diesen Erfolg auch zu erreichen? Nein, sagt Waldemar Pelz, Professor für Management und Marketing. In einer Studie hat er fast 4500 Manager in führungspositionen befragt, um herauszufinden, was ein wirklich Erfolgreicher hat, was andere nicht haben. Das Ergebnis: ein Mehr an Willenskraft. An Power also, die Absicht auch umzusetzen. Der wissenschaftliche Ausdruck für diese Kraft lautet Volition. Fred Blumenthal sprach mit Waldemar Pelz darüber, warum Volition so wichtig ist und wie man sich mit ihr ausrüsten kann.

Waldemar Pelz, geboren 1953 im oberschlesischen Gleiwitz, studierte Wirtschaftswissen­schaften in Frankfurt am Main und arbeitete 15 Jahre lang in der Industrie, zuletzt als Leiter der Führungskräfteentwicklung eines großen deutschen Chemie­ und Pharmaunter­nehmens. Seit 1995 ist er Professor für BWL und Management, zunächst in Leipzig und dann an der Business School der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM). Pelz ist zudem Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Management­Innovation mit Sitz in Bad Soden, Taunus, das Management­ und Führungskompetenzen in großen Unternehmen analysiert und seine Kunden dazu berät.

Herr Prof. Pelz, was unterscheidet Volition von Motivation?
Während man unter Motivation das Streben nach Zielen oder Ergebnissen versteht, erklärt die Volition, wie man Motive auch tatsäch­lich in Resultate umsetzt. Volition ist also der wis­senschaftliche Begriff für die Willenskraft, die im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen kann. Wenn Motivation der Motor ist, dann ist Volition der Treibstoff.

Der Vergleich ist plausibel, aber was macht Volition im Berufsleben unverzichtbar?
Mana­ger werden letztlich nicht an ihren ehrgeizigen Zielen gemessen, sondern an den tatsächlichen Ergebnissen. Im Karrierekontext sucht man immer wieder nach Antworten auf die Frage, was einen erfolgreichen Manager auszeichnet. Welche Eigen­schaften muss er besitzen, welchen Führungsstil praktizieren? Die häufigsten Attribute, die dann genannt werden, lauten visionär und charisma­tisch, kooperativ und kreativ, dominant und gewis­senhaft. Jedoch haben Studien der Harvard Business School und der Stanford University gezeigt, dass diese Merkmale so gut wie keinen Bezug zum tatsächlichen Erfolg einer Führungskraft haben. Die Forschung musste daher ein neues Konzept suchen, das den Erfolg besser erklären kann. Und sie fand die Volition.

Damit jemand zu Beginn einer vielversprechenden Karriere diesen Begriff auf sich anwenden kann: Können Sie kurz erläutern, welche Voraussetzungen man benötigt, um Volition zu tanken?
Volition besteht aus fünf Fähigkeiten. Vorweg die gute Nachricht für Menschen auf dem Weg nach oben: Alle fünf sind erlernbar. Die erste Kompe­tenz: Mir gelingt es, meine Aufmerksamkeit auf das zu fokussieren, worauf es ankommt, statt mich zu verzetteln. Die zweite: Ich kann meine Gefühle so geschickt beeinflussen, dass ich mich in eine positive Stimmung versetzen kann und damit Belastungen und Stress schneller als andere überwinde. Die dritte: Ich besitze eine praktische Intelligenz, also die Cleverness, die es mir erlaubt, Situationen schnell im Kopf durchzu­ spielen. Fähigkeit Nummer vier: Mein Selbstbe­wusststein steht auf einer so starken Basis, dass ich mich wirksam gegenüber anderen durchsetzen kann. Und schließlich die fünfte Kompetenz: Ich weiß, warum ich in meinem Job arbeite. Ich erken­ne den tieferen Sinn hinter meiner Aufgabe – und kann daher mich selbst und andere begeistern.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Einer jungen führungskraft kommt die Idee für ein neues Projekt. Wann entscheidet sich im Kopf, ob diese Idee tatsächlich umgesetzt wird oder nur eine Idee bleibt?
Man hat lange angenommen, dass zunächst Motivation aufgebaut wird, dann die Ent­scheidung folgt und schließlich im besten Fall die Umsetzung. Doch nach neueren Erkenntnissen der Hirnforschung verläuft dieser Prozess komplexer. Es reicht nicht aus, zu Beginn einfach nur genü­gend Motivation anzuhäufen und dann daraus zu
schöpfen. Dafür funktioniert das Gehirn zu selbst­ refl exiv. Es führt nämlich in dem gesamten Prozess immer wieder Zwischenbewertungen durch und fragt: Wie stark und nachhaltig sind meine Motive wirklich? Wie gut ist mein Plan, diese Motive umzusetzen? Welche Handlungsalternativen gibt es? Verfüge ich überhaupt über ein geeignetes Handlungsprogramm? Diese Überprüfung läuft nahezu automatisch ab, und wenn mein Gehirn nicht zu der Überzeugung kommt, dass der Umsetzungsprozess tatsächlich funktionieren kann, nützt die ganze Motivation nichts. Aber auch hier gibt es eine gute Nachricht: Man kann diesen Prozess bewusst und willentlich steuern.

Wie gelingt das?
Haben Sie schon einmal einen Weltklasse­Skifahrer kurz vor dem Start beobach­tet? Ein paar Minuten vor dem Rennen startet er ein autogenes Trainingsprogramm und geht die Strecke durch, die vor ihm liegt. Dabei gelingt es ihm, jede mögliche Situation im Kopf durchzuspie­len. Er vergewissert sich zum Beispiel, wo beson­ere Schwierigkeiten liegen, und prüft, welche Linie welche Erfolgsaussichten besitzt.

Was kann ein Young Professional konkret von einem erfolgreichen Ski-Profi lernen?
Die erfolgreichsten Leistungssportler zeigen, wie wichtig Volition ist. Motiviert und talentiert sind alle, die oben stehen. Gewinnen wird aber der Sportler, der das, was er kann, bestmöglich abruft und umsetzt. Und das gilt auch für ambitionierte Manager. Ich rate Young Professionals daher, genauso wie ein Ski­Profi Situationen durchzuspie­len. Wenn einige im Stau die Geduld verlieren, nut­zen andere die Zeit, um sich im Kopf vorzustellen, wie später im Meeting dieser oder jener auf die Projektidee reagieren wird. Wer sich vorher über mögliche Optionen klar wird, kann viel effizienter gedankliche Lösungen erarbeiten. Man unterstützt das Gehirn dann dabei, positive Zwischenbe­wertungen zu finden – und steigert damit seine Willenskraft. Wobei natürlich eines entscheidend ist: So wie ein Alpin­Profi Skifahren können muss, benötigt ein Manager für seine Volition unbedingt genügend Fachkenntnisse.

Die Qualifikation ist die Grundlage?
Genau. Der erfolgreiche Motivationsmanager, der nur durch kluge Sprüche seinen Laden im Griff hat, ist eben­ falls eine Legende. Beispiel Bill Gates: Wer sich mit seiner Biografie beschäftigt, erfährt, dass er Ende der 60er­Jahre das Glück hatte, Schüler in einer der ersten Highschools zu sein, die über Computer verfügten. Er hat sich also schon sehr früh Gedanken zu dem Thema gemacht. Verstand früh, worum es geht. Früher als alle anderen.

Sie haben für Ihre Volitions-Studie fast 4500 Manager in führungspositionen befragt. Welche Erkenntnis aus der umfrage hat Sie überrascht?
Man nimmt allgemein an, dass die Leistungsfähig­ keit von Managern trotz zunehmender Erfahrung ab Mitte 40 wieder abnimmt. Junge Führungskräfte gelten als kreativer, schneller und tüchtiger. Das mag für ihr Engagement, also ihren Input, richtig sein. Für die tatsächlichen Ergebnisse ihrer Arbeit, also den Output, gilt dies jedoch nicht. Wir haben festgestellt, dass Manager mit mehr als zehn Jah­ren Führungserfahrung in der Altersgruppe von über 44 Jahren die größte Leistung erbringen.

Das sind aber jetzt keine guten Nachrichten für Young Professionals.
Im Gegenteil! Es ist eine Steilvorlage für junge Führungskräfte, denn sie können Außergewöhnliches leisten, wenn sie so früh wie möglich Volitionskompetenzen erwerben und diese mit ihrem Engagement koppeln. Damit haben sie einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Wie kann es einer weniger erfahrenen führungskraft denn gelingen, Volitionskompetenzen zu erwerben?
Orientierung geben die zuvor erläuterten fünf Fähigkeiten, aus denen sich Volition zusammen­ setzt. Um zu lernen, sich besser zu fokussieren, ist es sinnvoll, seine eigenen Werte zu klären und Karriere­ziele festzulegen – denn nur dann kann man die für sich richtigen Prioritäten setzen. Selbstvertrauen, Durchsetzungsstärke und Selbstdisziplin stärke ich, indem ich mir eine legitime Machtbasis aufbaue. Ich muss mich dafür ehrlich fragen, welchen sinnvollen Beitrag ich zum Erfolg der Organisation oder des Teams leiste. Wichtig ist zudem, sein inneres Umfeld von toxischen Einflüssen zu befreien. Von Umsetzungszwergen wissen wir, dass sie sich regelmäßig in emotionale Konflikte verstricken. Das stresst sie unge­mein, ihre Gedanken­ und Gefühlswelt wird von nega­tiven Gedanken beherrscht, von Angst, Neid, Wut und Ärger. In der Folge arbeiten sie oft mehr als 60 Stun­den pro Woche, bringen aber trotzdem – oder sogar
genau deswegen – nur bescheidene Ergebnisse.

Noch mal nachgefragt: Wo und wie kann ein Young Professional all das lernen?
Manche Men­schen erlernen diese Grundsätze durch ihre Erzie­hung oder durch entsprechende Vorbilder in der Familie oder in der Schule. War dies nicht der Fall,
muss man es nachholen. Zum Beispiel, indem man durch Gespräche mit anderen, Selbsttestsoder einen Abgleich zwischen Selbst­ und Fremd­bild ein persönliches Stärken­-Schwächen­.Profil erstellt. Zudem rate ich ambitionierten Managern zu Beginn ihrer Karriere, sich selber aus der Vogel­perspektive zu betrachten. Es hilft ungemein, Acht­samkeit bei den eigenen Gefühlen zu zeigen. Man merkt dann, dass es immer wieder Situationen und Stichworte gibt, bei denen man bestimmte Gefühle zeigt oder Handlungen abruft.

Können Sie ein konkretes Beispiel für diese Selbstbeachtung nennen?
Nehmen wir an, ich bin noch recht neu in einem Unternehmen, topmotiviert und bringe viele Ideen mit. In den Meetings bemerke ich aber, dass meine Willenskraft erlahmt, sobald ein Kollege aus dem Controlling Begriffe wie „Budget“ oder „Kosten“ aufwirft. Plötzlich ist die Verve weg. Wenn ich weiß, dass es so kommen wird, und dieses Gefühl akzeptiere statt es zu leugnen, kann ich mir schon im Vorfeld Argumente oder Handlungsoptionen überlegen, damit umzugehen. Ich kann zum Beispiel einen Businessplan aufstellen, der bei Budgetfragen meine Idee stützt statt sie infrage zu stellen. Mit dieser Strategie lasse ich einfach nicht zu, dass mich Vorbehalte automatisch negativ überraschen. Um noch einmal auf einen Ski­Profi zurückzukommen: Gold gewinnt man nicht, wenn man von einer schwie­rigen Kurve überrascht wird, obwohl man eigentlich weiß, dass sie kommt. Gold gewinnt, wer um die Kurve weiß, einen Weg sucht, sie ideal zu fahren, und diesen Weg dann auch fi ndet. Es ist also nicht Anstrengung oder Motivation, die Spitzensportler und Spitzenmanager auszeichnet, sondern die Anwendung der fünf Kompetenzen. Nur so kann es passieren, dass zwei Nachwuchskräfte sich zwar die gleiche Mühe geben und ähnliche Qualifi kationen vorweisen, am Ende jedoch völlig unterschiedliche Ergebnisse erzielen.

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